Wer in der Fremde erzählt, er kommt aus Wesel, erzielt in der Regel eine Reaktion: Man wird aufgrund des sehr verbreiteten Echogedichts nach dem Bürgermeister gefragt. Für Außenstehende ist es geradezu natürlich, dass Wesel und Esel untrennbar zusammengehören. Die Werbung mit dem Grautier für die Stadt ist heute selbstverständlich und in der Stadt allenthalben sichtbar. Die Idee, den Esel nutzbringend als Werbeträger für die Stadt einzusetzen, entstand 1971. Der Weseler Ratsherr Wilhelm Schulte-Mattler war für seinen Verein, das Feldmarker Karnevals-Komitee, als auch so gekleideter Esel von Wesel aufgetreten. Für die kommende Session schlug er – gerade auch mit Blick auf die Werbewirksamkeit – vor, einen „Esel von Wesel“ zu küren. Die Idee fand Zustimmung, auch beim Bürgermeister der Stadt, der schließlich den Orden verleihen sollte. Es wurde eine Satzung geschaffen und Verleihungsbedingungen formuliert. Kriterium für den Ordensträger muss sein, dass er „den Mut zu einer nicht alltäglichen Entscheidung hatte und bereit ist, alle Folgen – also auch den Eselsorden der Stadt Wesel – mit Humor zu tragen.“
Es wurde eine Medaille entworfen, die einen wutschnaubenden Esel, das Weseler Wappen und den Schriftzug „Esel von Wesel“ zeigt. An der Wahl des ersten Ordensträgers war die Weseler Bevölkerung beteiligt. Sie sollte der Satzung entsprechende Personen benennen.
Abstimmungssieger und damit erster Ordensträger war der Voerder Gemeindedirektor Adolf Urban. Urban hatte sich bei der Gebietsreform erfolgreich gegen Wesel behauptet und den Wesel-Datteln-Kanal als gemeinsame kommunale Grenze durchgesetzt. In Wesel hielt man dies für eine Eselei ersten Ranges, gleichsam die höchste Qualifikation des Auszuzeichnenden.
Die Verleihung fand am 29. Januar 1972 in der Niederrheinhalle statt. Sie war nicht wie heute eine eigene Veranstaltung, sondern war eingebettet in die Veranstaltung der Feldmarker Karnevalvereine FKK und KVC. Die Laudatio auf den Ordensträger, der auf einem echten Esel einzog, hielt Bürgermeister Günther Detert, der den Orden samt Urkunde mit der Bemerkung verlieh, dass damit „auch das Recht verbunden [ist], sich nach Wesel einbürgern zu lassen. Dieses Recht umfasst nicht nur den Gemeindedirektor, sondern vielmehr auch seinen Ortsteil Friedrichsfeld und die gesamte Gemeinde Voerde.“ Urban bedankte sich artig mit einer launigen Büttenrede über „Abfallprodukte eines Esels aus dem Haufen der schlafenden Mehrheit“ und einem Karnevalslied:
Inserate für viel Geld!
Schönes Voerde, Friedrichsfeld.
Wesel streckt die Hand schon aus,
aber es wird nichts daraus.
1976 wurde die Ordensverleihung neu organisiert, nachdem sich herausgestellt hatte, dass sie im Rahmenprogramm und als Anhängsel einer Karnevalssitzung eher unterging. Es gab nun eine eigene Veranstaltung in der Niederrheinhalle, die seitdem immer am Karnevalssonntag morgens stattfindet. Es wurde eigens ein Elferrat installiert, der ausschließlich aus Weseler Ratsmitgliedern besteht, und dessen Präsident durch das Programm führt. Zudem muss kein Eintritt gezahlt werden gemäß dem Motto „Ein-Tritt frei“.
Die Eselordenverleihung, anfangs von den Karnevalsgesellschaften eher kritisch, auch als vermeintliche Konkurrenz beäugt, stieg schnell zu einer markanten, populären und sehr erfolgreichen Veranstaltung auf, die auch über die Region hinaus auf sich aufmerksam machte. Mit verantwortlich hierfür waren entsprechende Preisträger aus Politik, Funk und Fernsehen, die allein durch ihre Anwesenheit dafür sorgten, dass über die Veranstaltung – und damit über das Echogedicht „Wie heißt der Bürgermeister von Wesel – Esel“ – bundesweit in den Medien berichtet wurde.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)