Der Kirchspiels- und Gerichtsbezirk Wesel umfasste im Mittelalter und der frühen Neuzeit nicht nur die Stadt Wesel und den über die Mauern gehenden Geltungsbereich des Weseler Stadtrechts, sondern auch die umliegenden Bauerschaften zwischen Rhein und Lippe. Das waren im 14. Jahrhundert Flüren, Lackhausen, Hasselt und Blisteren. Hasselt und Blisteren werden ab dem 15. Jahrhundert unter der Bezeichnung Obrighoven geführt. Die dann nur noch drei Bauerschaften bildeten bis 1806 im Gegensatz zur Stadt das Amt Wesel. Im Jahre 1824 vereinigten sich die Gemeinden Obrighoven und Lackhausen innerhalb des Amtes Wesel. Selbständige Bürgermeisterei im Landkreis Rees wurde die bis dahin von Wesel mitverwaltete Gemeinde Obrighoven-Lackhausen erst 1848.
Im Mai 1945 verlor Obrighoven-Lackhausen ihre Unabhängigkeit. Da die Mehrzahl der Weseler Bevölkerung nach den Zerstörungen überhaupt nicht auf dem alten Weseler Stadtgebiet unterkommen konnte, wohnten viele Ausgebombte in der näheren Umgebung, insbesondere in der Nachbargemeinde Obrighoven-Lackhausen. Wegen dieser vorübergehenden Bewohner und der Einschätzung, dass Wesel allein nicht lebensfähig wäre, ordnete die örtliche britische Militärbehörde die Bildung eines neuen Verwaltungsbezirkes, bestehend aus Wesel und der Nachbargemeinde, an. Die Maßnahme war eine Vereinigung von Rat, Personal und Verwaltung, keine Eingemeindung. Die gemeinsame Verwaltung endete am 1. Dezember 1948, also kurz nach den Kommunalwahlen dieses Jahres, auf Wunsch des überwiegenden Bevölkerungsteils der Landgemeinde nach Eigenständigkeit. Die zu diesem Zeitpunkt in Obrighoven und Lackhausen lebenden Gemeindevertreter, wie etwa der erste SPD-Fraktionschef Dr. Paul Berger oder Elly Schönborn (CDU), verschwanden deshalb aus dem Weseler Rat. Sie waren bei der Gemeindewahl am 17. Oktober 1948 in den neuen Rat von Obrighoven-Lackhausen gewählt worden. Dieser Rat sprach sich schon bald, obwohl der Weseler Stadtdirektor während einer Sitzung für eine gemeinsame Verwaltung warb, für eine komplette Selbständigkeit aus. Das Ende der gemeinsamen Zeit kam auch nicht unerwartet, sondern zeichnete sich schon seit Ende 1947 ab.
Für den Weseler Rat war die neue Selbständigkeit ein Hemmnis, sah er sich doch im Bemühen um Anwerbung neuer Industrien behindert, weil geeignetes Gelände, wie es die zur Niederlassung bereiten Firmen benötigten, im Stadtgebiet nicht nachgewiesen werden konnte. Vertreter aller im Weseler Rat sitzenden Parteien hielten die Eingemeindung, also die Ausdehnung nach Osten, für lebenswichtig. Man war auf die dortigen landwirtschaftlichen Flächen als unabdingbar für die Versorgung der Weseler Bevölkerung angewiesen, fürchtete eine Abwanderung von Weseler Bürgern und damit Steuerzahlern, verwies auf die bessere Ausnutzung einer vergrößerten Verwaltungsfläche durch den vorhandenen Verwaltungsapparat sowie auf den notwendigen gemeinsamen Flächennutzungsplan, der ein Für- und nicht ein Gegeneinander brächte. Im Obrighoven-Lackhausener Rat gab es durchaus Vertreter wie Dr. Paul Berger, die das genauso sahen, sich aber angesichts der Stimmungslage nicht offen positionierten. Die Eingemeindung der Nachbargemeinde gehörte daher in den folgenden zwanzig Jahren zu den Zielen, an dem alle Weseler Ratsparteien seit 1949 konsequent, offen, bisweilen rücksichtslos und letztlich mit Erfolg arbeiteten. Das Verhältnis beider Gemeinden zueinander war in dieser Zeit bis zur Eingemeindung 1969 alles andere als gedeihlich.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)