Im September 1241 wurde Wesel das Stadtrecht verliehen.
Im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts kam es zu einer Reihe von Stadterhebungen in den drei großen Territorien des unteren Niederrheins, in Kurköln, Geldern und Kleve. Zur Sicherung seines Besitzes und Durchsetzung seiner Interessen am Niederrhein erhob der Kölner Erzbischof seine Orte Rees, Xanten und Rheinberg 1228 bzw. 1233 zu Städten. Der Herzog von Geldern tat desgleichen mit Harderwijk 1231, Arnheim, Emmerich und Lochem 1233 sowie Doesberg und Doetinchem 1237. Der Graf von Kleve handelte erst 1241, also einige Jahre später. Der selbständig in Wesel regierende Sohn Dietrichs IV. von Kleve, Dietrich Primogenitus, bekam wohl im Jahr zuvor vom deutschen König Konrad IV. auf dem Reichstag in Frankfurt die Reichsrechte an Wesel verliehen und konnte mit königlicher Erlaubnis das klevische Territorium an der unteren Lippe durch die Stadterhebung Wesels sichern. Nicht nur das erteilte Privileg hebt die königliche Ermächtigung hervor, auch das ungewöhnliche große wie auch gestaltete große Stadtsiegel Wesels stellt im Siegelfeld den Vorgang in Frankfurt dar. Der Graf von Kleve streckt seine Hände bittend bzw. empfangend dem König entgegen. Am Rande stehen das Attribut für die Stadt, der Turm im oberen Teil, und das redende Wappen, das Wiesel, im unteren Teil.
Der Aussteller gewährte per Privileg der Bürgerschaft von Wesel die volle Freiheit, erhob sie damit zur Stadt und stellte sie damit außerhalb des Landrechts. Steuern konnte der Landesherr nur mit Billigung der Bürger erheben. Dafür behält er sich vor, über die Aufnahme von klevischen Eigenleuten in das Bürgerrecht zu bestimmen. Er sah es gerne, wenn die Eigenleute anderer Herren nach Wesel kamen, nicht jedoch die eigenen.
Dem Kaufmannsrecht nach Zutphener Vorbild wurde Rechnung getragen. Die Bürger erhielten das freie Erbrecht, wobei die Erbfolge geregelt wurde. Bürger konnten in Wesel nur vor dem städtischen Gericht belangt werden. Eine bürgerliche Klage muss den Instanzenweg einhalten und zuerst das Schöffengericht anrufen. Verfahren sollten durch gebührende Entscheidungen, also schnell und mit klarem Urteil und nicht etwa mit einem Zweikampf, beendet werden. Bürger konnten sich vor einem städtischen Gericht mit einem Eid gegen Vorwürfe wehren. Bürgererbe durften nicht zu Sühnezwecken eingezogen werden. Ungerechtfertigte Einsprüche gegen Schöffenurteile wurden mit Geldstrafen zugunsten aller Schöffen und des Landesherrn bestraft. Einem ungerechten Schöffe wurde die vordere Hälfte seines Hauses eingerissen und er musste eine hohe Strafe an den Grafen zahlen.
Es folgen fünf Regelungen bei Totschlag und Körperverletzung, die das gräfliche Hochgericht betreffen. So verlieren die Erben eines Totschlägers, so er zum Tode verurteilt wird, die Hälfte des Erbes an den Grafen. Zudem werden Gerichtsgebühren an Schöffen, Richter und erwachsene Bürger bei Schuldsprüchen festgelegt.
Die Bürger müssen Heerfolge leisten, wobei ihnen zugesichert wird, dass sie nachts wieder in ihrer Stadt sind.
Es wird Zollfreiheit an allen landesherrlichen Zollstätten gestattet und Zollbetrug entsprechend geahndet werden. Für den Betrug beim Weseler Marktzoll wird eine Höchststrafe festgesetzt.
Die utlose genannte Erbschaftssteuer entfällt bei Bürgern.
Der Erwerb von Haus und Grund wird geregelt.
Wachszinspflichtige – die erblich zur jährlichen Abgabe von Wachs an eine Kirche verpflichtet sind – benötigen keine Heiratserlaubnis, müssen aber als Abgabe im Todesfall das beste Gewand geben.
Der Anfall von fremdem Erbe bei erbenlosem Tod wird geregelt.
Schließlich werden Streitigkeiten unter Bürgern, die unter das städtische Gericht fallen, geregelt wie auch dem Bürgermeistergericht Verfahren wegen übler Nachrede und Betrug mit Maßen und Gewichten zugeordnet. Falls die Schöffen nicht in der Lage sind, ein Urteil zu fällen, sollen sie in Dortmund darum nachsuchen.
Das Privileg regelt vor allem Steuer, Zoll- und Gerichtsangelegenheiten, führt Gerichte, Schöffen und den Bürgermeister als gegeben bzw. schon vorhanden an und war sichtbar zugeschnitten auf einen alten, wichtigen Marktort mit einer vom Rheinhandel lebenden Kaufmannschaft. Es steht am Anfang einer langen Reihe von insgesamt 122 Privilegien bis zum Jahre 1603, die der Landesherr seiner Stadt Wesel ausgestellt hat. Sie war damit die meistprivilegierte Stadt im Land, was ihre besondere Stellung, die sie sich rasch erwarb, hervorhob.
Nach Wesel erhielten in der Grafschaft Kleve der Herrschaftssitz Kleve (1242), Kalkar (1245) und Grieth (1250) Stadtrechte.
Mit der Stadterhebung im September 1241 begann der Aufstieg Wesels zur größten und bedeutendsten Stadt am Niederrhein, die ihre Blütezeit im 16. Jahrhundert hatte und ab 1614 einen stetigen und langen, erst im 19. Jahrhundert endenden Niedergang erlebte.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)