Am 17. März 1920 brach nach wenigen Tagen der sogenannte Kapp-Putsch zusammen. Der von den Gewerkschaften, der DDP und der USPD ausgerufene und befolgte Generalstreik, die Ablehnung des Putsches durch alle Parteien und die Beamtenschaft sowie die Neutralität der Reichswehr zwangen Kapp zur Aufgabe. Kapp hatte wegen der gemäß des Versailler Vertrages verfügten Truppenreduzierungen die Reichsregierung aus Berlin vertrieben und selbst eine Regierung gebildet.
Im Ruhrgebiet hatten sich gleich zu Beginn des Putsches die Freikorpsführer wie auch –kurzfristig – die Sicherheitspolizei hinter den Putsch gestellt. Dagegen richteten überall im Revier Organisationen der Arbeiterschaft Ausschüsse oder Räte zur Kontrolle der örtlichen Behörden ein. Die Einwohnerwehren wurden entwaffnet und es kam zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Streikenden und der Polizei bzw. den Einwohnerwehren. Die Arbeiter konnten zahlreiche Waffen etwa bei den Wehren und bei einem Freikorps an sich bringen, eroberten am 17. März Dortmund und marschierten dann ins westliche Ruhrgebiet, dass sie mit ihrer „Roten Ruhrarmee“ bis zum 23. März unter ihre Kontrolle brachten. Die dortigen Reichswehr- und Polizeitruppen mussten sich nach schweren Kämpfen unter Zurücklassung ihrer Waffen nach Wesel zurückziehen. Der Kapp-Putsch war vorbei, aber im Ruhrgebiet geriet der gegen ihn gerichtete Generalstreik unversehens zum Aufstand.
Unterdessen versuchte die Reichsregierung, ein Ende dieses Aufstandes auf dem Verhandlungswege herbeizuführen. Am 23. und 24. März einigte man sich in Bielefeld auf ein Programm, das dazu führte, das sich Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Demokraten und Zentrumsmitglieder aus dem Aufstand zurückzogen. Zu Beginn der Verhandlungen hatte man einen Waffenstillstand vereinbart; danach sollte die Reichswehr nördlich der Lippe bleiben und die Rote Armee sich auf die Linie Dinslaken–Hünxe–Dorsten zurückziehen.
In Wesel herrschte ob der Zustände Panik unter den Militärs wie den Zivilisten. Die Zeitfreiwilligenverbände fielen auseinander, Offiziere setzten sich über den Rhein ins belgisch besetzte Büderich ab und Soldaten befolgten Befehle zur Sicherung der Stadt nicht. Die Lippebrücken, der direkte Zugang zur Stadt, war nur durch eine Maschinengewehr-Gruppe gedeckt. Zudem fehlte es an Munition für die acht in der Festung vorhandenen Geschütze.
Am Nachmittag des 23. März vertrieb ein provisorischer Panzerzug die MG-Gruppe, die in die Stadt flüchtete. Im Schutz dieses Zuges drang eine Abteilung der Roten Armee in die Stadt vor, wurde aber auf dem Bahnhofsgelände vom noch intakten Freikorps Schulz vernichtend geschlagen. Am Abend hatte sich durch die erfolgreiche Abwehr die Lage in der Stadt stabilisiert. Abteilungen der Roten Armee standen aber südlich und östlich der Stadt und hatten die Stromversorgung durch Beschuss lahmgelegt.
Am nächsten Tag forderte die Rote Armee den Weseler Stadtkommandanten auf, die Stadt zu übergeben; andernfalls wollte sie die Stadt beschießen, was gegen die am Tag zuvor gemachte Vereinbarung in Bielefeld verstieß. Am späten Nachmittag des 24. März begann die Beschießung der Stadt. Die Arbeiter wussten nichts von der Munitionsknappheit in der Festung und gruben sich am südlichen Lippeufer ein, um die Stadt sturmreif zu schießen. Entlang der Lippe lagen sich die Kämpfenden in Schützengräben gegenüber. Besonders hartnäckig gekämpft wurde am Lippeschlösschen.
Die Beschießung wurde am 25. März fortgesetzt; der angerichtete Schaden war jedoch gering. Getroffen wurden kaum militärische Einrichtungen; zudem detonierte die Mehrzahl der Geschosse nicht. In der Stadt hatte man nachts Munitionsnachschub erhalten, so dass nun auch die eigene Artillerie wirkungsvoll eingesetzt werden konnte. Man wagte sogar mit einem Panzerzug einen Ausfall, nahm das Lippeschlösschen ein und zog sich mit beschädigter Maschine zurück. Etwa 150 Rotgardisten bezahlten den Versuch, den liegengeblieben Panzerzug zu stürmen, mit dem Leben.
Der Artilleriebeschuss endete am Morgen des 26. März. Nachmittags drang eine Abteilung der Sicherheitspolizei nach Osten vor und nahm vorübergehend das besetzte Krudenburg ein.
Am 27. März gingen die Regierungstruppen in die Offensive. Sie drängten die Rotgardisten in Krudenburg über die Lippe, die am Südufer in Stellung gingen und aufgrund ihrer ungünstigen Lage abgeschlachtet wurden. Das Freikorps Schulz zog morgens über die Brücke bei Bucholtwelmen und drängte zusammen mit der Reichswehr in einem von beiden Seiten äußerst brutal geführten Kampf die Rote Armee aus ihren Stellungen an der Lippe nach Voerde zurück. Innerhalb der folgenden Woche brach der Arbeiteraufstand nach weiteren schweren Kämpfen im Dinslakener Raum zusammen.
Die Beschießung Wesels kostete zwei Kinder und einen jungen Erwachsenen das Leben. Mehrere Personen wurden verletzt. In der Stadt wurden insgesamt Schäden an 242 Gebäuden registriert. Auf Seiten der Reichswehr fielen 32 und von der Sicherheitspolizei 15 Mann. Die Zahl der Opfer bei der Roten Armee waren um ein Vielfaches höher.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)