Zur Aufrechterhaltung der städtischen Verteidigungsfähigkeit wurde der Weseler Fuhrunternehmer Gerhardt Hobbelt beauftragt, eine über den Rhein gekommene große Lieferung von Schießpulver in das Lager im Turm des Brüner Tores zu transportieren. Der kleine Konvoi nahm am 4. Juli 1642 unvorsichtigerweise den direkten Weg durch die Stadt, also nach dem Passieren des Rheintores – wohl über den Entenmarkt oder durch die Feldstraße – in Richtung Großer Markt. Nachdem man schon die sehr dichte mittelalterliche Bebauung hinter sich gelassen hatte, kam es auf Höhe der Kreuzung von Breiter Brückstraße und Sandstraße zur Katastrophe. Ein unzureichend gesichertes Pulverfass auf einem der Wagen kam durch einen Funken, ausgelöst durch die Pferdehufe auf dem Straßenpflaster, zur Explosion, wodurch auch die anderen neun Fässer entzündet wurden. Das Ratsprotokoll der Stadt vom 5. Juli berichtet, dass „gestrigen Tags zehn Tonnen Pulver so von dem Rhein ab in der Bruinsche Poort Turm gefahren werden sollten, unversehens in der Brückstraße bey der Fischpforte in Brandt geraten, und dadurch viehl Menschen elendigh umb ihr Leben kamen.“
Über die in Folge der Katastrophe gestorbenen Menschen ist nichts bekannt. Das Ratsprotokoll nennt keine Namen oder Zahlen. Die zeitgenössischen Quellen sprechen meist von etwa vierzig Opfern, unter denen sich auf jeden Fall der Fuhrmann selbst befunden haben muss. Dass die anderen Fuhrwagen schon ein Stück voraus das Viehtor passiert hatten, erwies sich als glücklicher Umstand.
Ein Blick auf die Personen, die im Ratsprotokoll als geschädigte Hausbesitzer namentlich genannt werden, zeigt auch, dass die Explosion sich in einer der vornehmsten Gegenden Wesels ereignete. Unter den Geschädigten waren u.a. der Schöffe und Rentmeister Henrich van Werick, der Schöffe und Provisor der Heiliggeiststiftung Hans Jacob Pyrr sowie die Ratsverwandten Baltasar Arndtsen und Melchior Schlicker. Insgesamt wurden 13 Hausbesitzer mit Dachpfannen und Kalk entschädigt.
Laut dem Chronisten Gantesweiler sind zwei der zerstörten Häuser erst 1645 wiederaufgebaut worden. Am prächtigen Eckhaus Breite Brückstraße/Sandstraße soll – so Gantesweiler weiter – ab 1643 eine Plakette an das Unglück erinnert haben mit folgender Inschrift: „Aus Stein ein Pferd schlug Feuer / zum Pulver ungeheuer / mich plötzlich warf darnieder / nun steh ich mit Gott wieder“.
Das ganze Ausmaß der Katastrophe wird daran ersichtlich, dass im Oktober 1642 am Haus der Familie Kaermann Glasreparaturen in Höhe von über einhundert Talern anfielen, wobei die sonstigen städtischen Ausgaben für solche Reparaturmaßnahmen nie zwei Taler überstiegen. Die Wucht der Explosion kann auch daran abgelesen werden, dass durch den „Pulverschlag“ – so nennt es der Schreiber der Stadtrechnung – auch der Brunnen am Viehtor irreparabel beschädigt und Ende November 1642 für 224 Taler durch eine neue Pumpe ersetzt wurde. Im Sommer 1643 wurden auch die stark beschädigten Straßen rund um den Unglücksort in Stand gesetzt.
Das Unglück hatte aber auch eine religiöse Komponente, wurden doch zeittypisch solche Ereignisse immer auch als Strafe Gottes interpretiert. Das Protokoll des Presbyteriums vom 7. Juli 1642 fasst die Ereignisse zunächst zusammen, wobei dreißig Todesopfer genannt werden. Die Bürgerschaft sollte aber zu „Buß und Besserung ihres Lebens“ ermahnt werden. Man solle künftig „Hoffahrt und Überfluss“ bei Hochzeiten und Gastmahlen wieder meiden. Dazu wurde am 18. Juli 1642 ein Fasten- und Bettag abgehalten. Das städtische Ratsprotokoll nennt außerdem den Fall einer nicht namentlich genannten Frau, die schon vor den Ereignissen im kleinen Kreis geäußert haben will, dass der Stadt Wesel „ein großes Unglück über dem Haupt schwebe“ in Form eines Brandes in der Nähe des Viehtores.
Letztlich lagen religiöser Aberglaube und praktisches Verwaltungshandeln aber sehr nah beieinander, denn direkt nach der Diskussion um die ominöse Vorsehung der Weselerin debattierte der Weseler Rat die konkreten Folgen der Explosion. Um „solchen und dergleichen Schaden“ künftig zu vermeiden, wurden alle Fuhrleute per Dekret angewiesen, „kein Pulver über die Straßen zu fahren“, sondern entweder über die Wälle oder außen um die Stadt herum. Im Falle einer Zuwiderhandlung wurde eine empfindliche finanzielle Strafe angedroht.
Der Rat entschied außerdem, neben der Übernahme der Kosten zur Beseitigung der Sachschäden, den Fuhrunternehmer Hobbelt von Schadensersatzansprüchen der geschädigten Weseler Bürgerinnen und Bürger freizusprechen. Hobbelt erklärte dann vor dem Rat, dass er alles getan habe, um das Pulver sicher zu transportieren. Selbst wenn er wolle, könne er den Schaden finanziell auch gar nicht ausgleichen.
Wie groß der Stellenwert des Ereignisses auch weit über die Weseler Stadtgrenzen hinaus war, lässt sich anhand der schriftlichen Verbreitung der Explosion erkennen. Schon im vierten Band der von Matthäus Merian begründeten Reihe „Theatrum Europaeum“ – erschienen in erster Auflage 1643 – findet sich eine erste Beschreibung, die im gesamten deutschen Sprachraum auf eine große Leserschaft traf. Auch niederländische Historiker griffen die Ereignisse auf. 1780 verarbeitete Bernardus Mourik im 48. Teil seiner „Staatkundige Historie van Holland“ die schrecklichen Ereignisse aus Wesel und reicherte die textliche Beschreibung sogar mit einem detaillierten Kupferstich an, der wohl einzigen bildlichen Darstellung dieser Ereignisse. Von dieser Art der populärwissenschaftlichen Geschichtsvermittlung ließ sich der zeitweilig in Middelburg in der Provinz Zeeland lebende Weseler Chronist Peter Theodor Anton Gantesweiler inspirieren, der in seiner Chronik ebenso auf die Ereignisse vom Sommer 1642 einging; im Übrigen in einer fast wortgetreuen Übertragung von Mouriks niederländischer Schilderung.
In der gesamten deutschen und niederländischen Literatur findet man, basierend auf der Urquelle von Merian, den 12. Juli 1642 als Datum der Explosion überliefert. Auch die Weseler Historiographie – beginnend mit Gantesweiler 1881 und endend mit Volkmar Braun 1976 – nennen ausschließlich dieses falsche Datum.
(Autoren: Dr. Martin Wilhelm Roelen und Dr. Heiko Suhr)