In der zweiten Phase des Wiederaufbaus von Wesel widmeten sich Stadtverwaltung und Rat unter anderem den kulturellen Einrichtungen wie Theater und Museum. Die Planungen im musealen Sektor sahen vor, die Schillgedenkstätte im Haupttorgebäude der Zitadelle mit einem Festungs- und Garnisonsmuseum zu kombinieren. Das Niederrheinische Museum für Orts- und Heimatkunde war im Zweiten Weltkrieg mit dem größten Teil seiner Bestände untergegangen. Für ein neues, wie auch immer ausgerichtetes Museum bemühte sich die Stadt seit der Mitte der 1950er Jahre um den Erwerb von Sammlungsstücken oder gar kompletten Sammlungen. Die Stadt verhandelte im Laufe der Jahre mit verschiedenen Sammlern, um deren Kunstgegenstände für das Museum zu erwerben.
Am 5. Oktober 1962, kurz nachdem die Übernahme einer bedeutenden Sammlung gescheitert war, nahm der in Köln lebende Privatsammler Kasimir Hagen (1887-1965) Kontakt mit dem Weseler Stadtdirektor Dr. Reuber auf. Der ehemalige Postbeamte Hagen hatte im Laufe seines Lebens eine sehr umfangreiche und imposante Sammlung von Kunstgegenständen, Gemälden und Skulpturen des Mittelalters wie auch der Neuzeit bis hin zur Kunst der Gegenwart, zusammengetragen. Er kam zusammen mit seiner Ehefrau Helene aus eigener Initiative nach Wesel, um der Stadt einen Teil seines Fundus' für ein Museum kostenlos zu überlassen.
Hagen war im Gespräch mit insgesamt fünf Städten, neben Wesel noch Köln, Bonn, Oberhausen und Rheine, die auch jeweils Teile seines Kunstbesitzes erhielten. Darüber hinaus bedachte er auch Kranenburg und Siegburg. Mit der Stadt Wesel einigte sich der Sammler im Laufe des Jahres 1963 auf die Übergabe von 67 Kunstgegenständen, 56 Gemälde und elf Skulpturen, die als Sammlung Kasimir Hagen eine eigene Abteilung im zu gründenden Städtischen Museum Wesel haben sollte und auch hat. Der Stadtrat beschloss in seiner Sitzung vom 15. Oktober 1963 die Annahme der Kollektion. Der Schenkungsvertrag wurde gut zwei Wochen später, am 31. Oktober, in der Wohnung des Stifters in Köln unterzeichnet. Zu den Bedingungen des Vertrages gehörten die Erfassung der Schenkung in einem Katalog sowie ihre Präsentation in einer Kasimir-Hagen-Ausstellung. Im November erhielt die Stadt neben der vereinbarten Schenkung zusätzlich noch rund 400 Kupferstiche, Radierungen, Holzschnitte, Zeichnungen, Aquarelle und Ölstudien des 15. bis 18. Jahrhunderts.
Der Katalog zur Sammlung sollte zum 1. März 1964 durch den städtischen Kulturdezernenten Dr. Hans Kock erstellt werden. Die Ausstellung war für den 1. April 1964 im bis dahin geräumten und renovierten Theatersaal des Stadtkasinos am Kaiserring geplant. Diese ambitionierte Planung konnte so nicht umgesetzt werden; die Präsentation der Kasimir-Hagen-Sammlung kam erst am 31. Januar 1965 in einem wesentlich kleineren Rahmen in den Ausstellungsräumen des Weseler Rathauses zustande. Der Katalog legte schonungslos offen, dass einige der als herausragend angepriesenen Stücke nicht das hielten, was versprochen war: Es gab keine Gemälde von Hans Holbein d.Ä., Barthel Bruyn d.Ä., Edvard Munch und Wassily Kandinsky. Die gezeigte Sammlung stieß daher beim Rat wie bei der Bevölkerung auf Unverständnis und Ablehnung, weil ihre sonstige Qualität damals nicht erkannt wurde. Dieses Urteil hat sich mittlerweile geändert. Zahlreiche Gemälde wie auch die Werke des rheinischen Künstlers Anton Räderscheidt (1892-1970) werden heute mit ganz anderen Augen gesehen. Die Sammlung Kasimir Hagen bildet einen wichtigen Teil des Grundstocks im Sammlungsbestand des Städtischen Museums Wesel.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)