Am letzten Tag des Jahres 1514 wurde in Brüssel Andreas Vesalius, der Begründer der modernen Anatomie, geboren. Sein gleichnamiger Vater war Hofapotheker des späteren habsburgischen Kaisers Karl V.; seine Mutter hieß Elisabeth Crabbe. Vesalius immatrikulierte sich am 25. Februar 1530 an der Universität Löwen. Um Medizin zu studieren, wechselte er 1533 nach Paris, um bei den dortigen Koryphäen die althergebrachte galenische Medizin und Anatomie zu hören; drei Jahre später kehrte er nach Löwen zurück und beendete sein Studium. Im Jahr darauf ging er nach Padua, wo er promovierte und sogleich als Professor für Anatomie eingestellt wurde.
Seit 1537 war Vesalius auch als Autor tätig. In Venedig publizierte er sechs anatomische Tafeln. Die Vorlagen fertigten Vesalius selbst und der Tizianschüler Johann Stephan von Kalkar an. 1543 publizierte er bei Johannes Oporin in Basel seine bahnbrechende Arbeit „De humani corporis fabrica libri septem" (Sieben Bücher über den Aufbau des menschlichen Körpers), die eine neue Epoche der Anatomie einleitete. Die Arbeit wendet sich gegen die an den Universitäten gelehrte galenische Medizin, deren Erkenntnisse auf den Untersuchungen von Tierkadavern beruhten. Vesalius hatte bei von ihm durchgeführten Sektionen erhebliche Abweichungen festgestellt und kam zu dem Schluss, dass nur die Untersuchung menschlicher Körper verlässliche Erkenntnisse über den Körperbau ermöglicht. Die medizinische Revolution stieß bei der galenfixierten Wissenschaft erst einmal auf blehnung und setzte sich erst allmählich durch.
Dem medizinischen Werk wurden zahlreiche Illustrationen von Johann Stephan von Kalkar beigefügt, die diesem eine außergewöhnliche künstlerische Qualität verliehen. Auch die zweite, überarbeitete, 1555 erschienene Ausgabe der Fabrica bestach durch Inhalt, Illustration und typographische Gestaltung.
Der eigentliche Zweck des Medizinstudiums war für Andreas Vesalius stets das Heilen; eine weitere Universitätskarriere lehnte er dagegen konsequent ab. So wurde Vesalius 1544 Leibarzt Kaiser Karls V. Er lebte in Brüssel, wo er auch ein Haus besaß, und begleitete den Kaiser, wenn dieser in Deutschland weilte. Nach dem Rückzugs Karls V. trat er in die Dienste dessen Sohnes Philipp II. und siedelte 1559 nach Madrid über. Im Frühjahr 1564 weilte er in Venedig, von wo er - wohl in diplomatischer Mission - eine Jerusalemfahrt unternahm. Er kehrte nicht mehr zurück, sondern starb am 15. Oktober 1564 während der Heimfahrt auf der griechischen - damals venezianischen - Insel Zakynthos und wurde dort begraben. Er hinterließ seine Witwe Anna, geborene ten Hamme, und eine gleichnamige Tochter.
Der eigentliche Familienname Vesalius' lautet Witinck. Die Bezeichnung „Vesalius" selbst weist auf die Herkunft seiner Familie.
Der Urgroßvater des Anatoms, der Arzt Dr. Jan Witinck, verließ 1429 seine Heimatstadt und ging als Professor der Medizin an die gerade gegründete Universität Löwen. Er entstammte einer alteingesessenen Weseler Schöffenfamilie.
Dessen Vater Evert war Kaufmann und von 1411 bis zu seinem Tode am 5. Februar 1451 Schöffe. Als solcher bekleidete er von 1414 und 1428 das Amt des Bürgermeisters. Jans Sohn Heinrich wurde 1470 Weseler Neubürger.
Vesalius führte selbstredend das Wappen seiner Familie, das drei Wiesel zeigt, und auf dem Titelblatt der Fabrica abgebildet ist. Er wusste natürlich, woher seine Familie stammte und nahm im Frühjahr 1546, als er längere Zeit in Nimwegen weilte, die Gelegenheit wahr, um in Wesel die Gräber seiner Vorfahren aufzusuchen.
In Wesel ist Vesalius heute auf dreierlei Weise präsent: 1924 benannte man eine Straße nach ihm; sie hieß allerdings einfach nur Andreasstraße, bevor 1966 die Namenserweiterung zu Andreas-Vesalius-Straße für Klarheit sorgte. Seit 1981 gibt es im Blumenkamp die Vesalius-Apotheke und 1984 wurde das Gymnasium Mitte in Andreas-Vesalius-Gymnasium umbenannt.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)