Für die Ausbildung der jungen Kaufmannschaft wurden in Preußen seit dem späten 18. Jahrhundert kaufmännische Fortbildungs- sowie Handelsschulen gegründet. Es handelte sich hierbei keinesfalls um öffentliche Schulen. Schulträger waren vielmehr Privatpersonen, Vereine oder kommunale Körperschaften. So existierte in Wesel in den 1830er Jahren eine private Handelsschule, die sich anscheinend über einige Jahre halten konnte. Ziel der Handelsschulen war es, die Schüler den gewachsenen Anforderungen der Kaufmannschaft entsprechend auszubilden, bzw. – wie es der Weseler Diplomhandelslehrer Mausolf ausdrückte – „ihnen gewissermaßen das ABC des Kaufmanns“ zu vermitteln.
Nach dem Ersten Weltkrieg bemühte sich die Stadt Wesel, neben der Kaufmännischen Berufsschule eine Handelsschule zu installieren. 1921 scheiterte man noch an der schwierigen Finanzlage, dann durchkreuzte die Ruhrbesetzung mit der teilweisen Beschlagnahme der Hansaringschule die Pläne des Bürgermeisters und schließlich verzögerte die Erkrankung des ehemaligen Leiters der Kaufmännischen Berufsschule eine Gründung. Im März 1926 war es dann endlich soweit. In der Stadtverordnetenversammlung vom 26. März wurden zwei Beschlüsse gefasst. Man führte die Berufsschulpflicht für Mädchen per Satzungsergänzung ein. Dieses war die Voraussetzung für die Gründung einer Handelsschule, deren Einrichtung anschließend zum kommenden Schuljahr beschlossen wurde. Das Schuljahr begann damals Ostern; das Fest fiel 1926 auf den 4. April. Der Gründung kam demnach erst in allerletzter Sekunde zustande, anscheinend nach dem Motto „Jetzt oder nie“. Dafür sprechen die erheblichen Probleme bei der Unterbringung der neuen Städtischen Handelsschule. Weil die dafür vorgesehenen Räumlichkeiten im Kammergebäude der ehemaligen 43er Kaserne an der Fluthgrafstraße/Herzogenring noch nicht fertiggestellt waren, erhielt die Schule vorübergehend einen Raum im Städtischen Lyzeum am Brüner-Tor-Platz.
Die Städtische Handelsschule war die 15. ihrer Art im Regierungsbezirk Düsseldorf, in dem wiederum damals ein Sechstel aller preußischen Handelsschulen beheimatet waren.
Leiter wurde Diplomhandelslehrer Arno Mausolf, der zugleich Leiter der ebenfalls städtischen Kaufmännischen Berufsschule war. Ihm stand als zweiter Lehrer Diplomhandelslehrer Walter Böhnke zur Seite. Ostern 1927 wurde für die dann eingerichtete zweite Klasse ein weiterer Lehrer angestellt. Alle Lehrer arbeiten zugleich auch an der genannten Berufsschule, die von der Hansaringschule ebenfalls in die 43er Kaserne, in das Gebäude Hansaring 25, umzog.
Feierlich eröffnet wurde die neue Schule am 29. April 1926 in der festlich geschmückten Aula des Gymnasiums durch Bürgermeister Ludwig Poppelbaum. Dem wichtigen Anlass entsprechend hatten sich zahlreiche Ehrengäste eingefunden, darunter Vertreter der Stadt, der Weseler Kaufmannschaft, der Schulen und der Handelskammer wie auch, als staatlicher Vertreter, der Direktor der Handelslehranstalt Krefeld.
Die zweijährige Handelsschule erfreute sich trotz eines Schulgeldes von 180 – später 200 – Reichsmark einer wachsenden Beliebtheit. 1936 besuchten sie erstmals mehr als 100 Schüler, die sich auf inzwischen vier Klassen verteilten. Ostern 1939 wurde sie sogar um die schon lange geforderte einjährige höhere Handelsschule zu einer dreistufigen Anstalt erweitert.
Während des Dritten Reiches musste die Berufs- und Handelsschule gleich zweimal umziehen. Die Kaserne wurde 1934 für die Landespolizei geräumt, die am 1. Oktober nach Wesel verlegt wurde und aus der nach der Remilitarisierung des Rheinlandes im März 1936 das Infanterie-Regiment 39 hervorging. Alle in der Kaserne untergebrachten Einrichtungen mussten ihre für sie eigens hergerichteten Gebäude verlassen. Die Handelsschule war gezwungen, in die völlig unzureichenden Räumlichkeiten der Villa Heimig (Grafenring 1) umzuziehen. Die Villa samt der dahinter liegenden ehemaligen Druckerei beherbergte seit 1928 eine bald darauf mit dem katholischen Marienlyzeum zusammengelegte Frauenschule, die im Herbst 1934 von der Stadt geschlossen worden war. Erst im Februar 1938 kehrten mit dem Umzug in die Bismarckstraße 7 wieder normale Schulverhältnisse ein.
Die Städtische Handelsschule Wesel existierte nur 17 Jahre. Im Rahmen der Neuordnung des Berufsschulwesens durch die Nationalsozialisten wurde sie zusammen mit den anderen städtischen Berufsschulen 1943 vom Kreis Rees übernommen.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)