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Stichtag: 25. November 1973 – Der erste autofreie Sonntag in Wesel

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Die „autofreien Sonntage“ im November und Dezember 1973 waren eine Maßnahme der westdeutschen Regierung zur Energieeinsparung während der Ölkrise. Infolge des Ölembargos einiger OPEC-Länder und der Drosselung von Fördermengen stiegen die Ölpreise stark an und der Treibstoff wurde knapp. Um den Verbrauch zu reduzieren, reagierte die Bundesrepublik am 9. November 1973 mit dem Energiesicherungsgesetz. Sie verhängte ein Tempolimit sowie ein eingeschränktes oder komplettes Autofahrverbot an vier aufeinander folgenden Sonntagen (25.11., 02.12., 09.12. und 16.12.). Ausnahmen galten lediglich für die Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte sowie für Ärzte, Taxifahrer und Frischware-Lieferanten. Diese Maßnahmen führten zu einer Verringerung des Verkehrsaufkommens und damit zu einer Einsparung von Treibstoff. Diese Entscheidung war zwar unpopulär, aber notwendig, um die Auswirkungen der Ölkrise abzumildern.

Im Kreis Wesel, damals noch Kreis Rees, befolgten die allermeisten Bürgerinnen und Bürger die Maßnahmen. So lagen denn auch Verkehrsknotenpunkte wie der Berliner-Tor-Platz in Wesel weitgehend leergefegt da. Statt des gewohnten Autoverkehrs beherrschten Fahrräder und Fußgänger die Straßen. Die öffentlichen Nahverkehrsmittel waren im Laufe des Tages zum Teil fast doppelt so stark besetzt wie sonst üblich, da mancher Sonntagsausflug vom Auto auf die Bahn verlegt werden musste. Auch Taxifahrer, ausgenommen vom Fahrverbot, machten ein gutes Geschäft. Einige wenige mussten den Pkw dennoch nutzen, aber: Von 220 im Kreisgebiet kontrollierten Autofahrern konnten mit einer Ausnahme alle eine Sonntagsfahrerlaubnis vorweisen. Wer im glücklichen Besitz einer Kutsche war, spannte zwei PS davor und gelangte auf diese Weise von A nach B – wie es z.B. Familie Heßling vom Flürener Weg tat. Selbst auf die Weihnachtsbeleuchtung in der Innenstadt verzichtete die Stadt in diesem Jahr, um so ihren Energieverbrauch weiter zu drosseln.

Auch zwei Ratsmitglieder traten vormittags öffentlichkeitswirksam in die Pedalen: Herbert von der Linden (SPD) und Alfred Pannenbecker (CDU) vom Weseler Stadtrat kamen mit dem Rad zum Friedhof an der Caspar-Baur-Straße, wo Bürgermeister Günther Detert (CDU) am Grab seines Amtsvorgängers Kurt Kräcker (SPD) einen Kranz niederlegte.

Die autofreien Sonntage waren eine bemerkenswerte Reaktion auf die Ölkrise und bewiesen die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, auf alternative Verkehrsmittel umzusteigen, um wertvolle und knappe Ressourcen zu sparen. Vor dem Hintergrund des (auch damals schon bekannten) Klimawandels sind die autofreien Sonntage sicher als interessante Inspiration zu betrachten. Auch wenn die Ursache der damaligen Krise eine andere war, so gibt es doch Parallelen in Bezug auf die Notwendigkeit, den Energieverbrauch zu reduzieren und nachhaltige Lösungen zu finden. Der Verkehrssektor ist einer der Hauptverursacher von Treibhausemissionen, die zum Klimawandel beitragen. Die Maßnahmen aus dem Jahr 1973 sind ein Beispiel dafür, wie Menschen in schwierigen Zeiten zusammenarbeiten können, um gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen.

 

(Autorin: Lena Koch)