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Stichtag: 24. Mai 2008 - Erstes Eselrock-Festival im Heubergpark

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Wie so viele erfolgreiche Formate begann auch das Weseler Eselrock-Festival mit einer kleinen Tat. Der begeisterte Musiker Simon Bleckmann war als Zivildienstleistender beim städtischen Weseler Jugendzentrum „Karo“ aktiv und gerade dabei, seine Abschlussarbeit an der Universität zur Verbindung von Rockmusik und Jugendhilfe zu schreiben. Währenddessen hatte er nicht nur unzählige lokale und regionale Musiker und Musikerinnen kennengelernt, sondern auch Kontakte zur städtischen Jugendhilfeplanung aufgebaut. Aus dem Antrieb heraus, dass sich viele seiner Altersgenossen über mangelnde Aktivitäten für Jugendliche beschweren, aber kaum jemand selber aktiv wird, schrieb er eine E-Mail an befreundete Musiker und fragte „einfach mal nach“, ob man nicht gemeinsam ein Festival organisieren könnte. Einige seiner Freunde waren bereit, nicht nur musikalisch mit ihren Bands beizutragen, sondern auch ihr jeweiliges Spezialwissen – vom Eventmanagement über Finanzplanung bis hin zur Gastronomie – einzubringen.

Von Anfang an war klar, dass die Veranstaltung kostenlos und unter freiem Himmel stattfinden sollte. „Umsonst und draußen“ ist das seit den 1970er Jahren in der Festivalwelt bekannte Motto, das nach wie vor auch beim Eselrock Gültigkeit hat. Der Heubergpark war schnell als ideale Location und der sprichwörtliche „Esel von Wesel“ als Namenspate ausgemacht. So konnte mit viel ehrenamtlichem Engagement und ohne kommerzielles Interesse schon am 24. Mai 2008 das erste Eselrock-Festival auf die Beine gestellt werden. Von Anfang an übertraf das Interesse in Wesel und am Niederrhein alle Erwartungen. Hatten die Veranstalter 2008 mit etwa 1.500 Zuschauern gerechnet, waren es am Ende mehr als viermal so viele Musikbegeisterte. Für Aufsehen sorgte u.a. die Berliner Pop- und Rockband „Radiopilot“, deren Single „Fahrrad“ vor allem durch ein bekanntes Videospiel weithin bekannt war. Aber auch die schon 2005 gegründete Weseler Rockband „aVid*“, die einige Jahre später durch ihre Auftritte bei einer landesweiten Castingshow Erfolge feiern sollte, begeisterte das Publikum.

Im Laufe der Jahre wurde aus einer Idee von vier Freunden schnell ein weithin bekanntes Format, das immer mehr professionalisiert wurde; im besten Sinne von Herbert Grönemeyer: Stillstand ist der Tod. Dabei konnten sich die Organisatoren ihre Begeisterungsfähigkeit, ihre Visionen und ihren unerschütterlichen Optimismus erhalten, was die besondere Mischung vom Eselrock ausmacht. Die umfangreiche Planung und Organisation des Eselrock-Festivals wurde aber schnell professionalisiert. Seit März 2010 ist ein gemeinnütziger Verein (EselRock e. V.) dafür verantwortlich. Der Großteil der Kosten wird über hauptsächlich lokale Sponsoren gedeckt.

So sind es vor allem die besonderen Momente, die in Erinnerung bleiben. Eine ganz besondere Forderung hatte im Jahr 2012 die Band „Itchy“, die zunächst erst ab 23 Uhr auftreten wollte, um vorher genüsslich das Champions-League Finale sehen zu können. Man einigte sich schließlich darauf, einen kleinen Fernseher auf die Bühne zu stellen. Das abschließende Elfmeterschießen erlebten Band und Veranstalter schlussendlich hinter der Bühne. Für besonderes Herzklopfen bei den Veranstaltern sorgte 2018 die Hamburger Rockband „Selig“, deren Sänger Jan Plewka nicht auffindbar war. Nachdem die Organisatoren ihre Begrüßungsworte maximal in die Länge gezogen und nachdem die Band die Zuschauer mit minutenlangem Instrumental-Rock vergnügt hatten, kam Plewka doch noch und sprang quasi aus dem Auto auf die Bühne im Heubergpark.

Aber auch Fragen um Lärmbelästigung und Umweltschutz nehmen die Veranstalter sehr ernst. Dazu gehört auch eine Zählung der Weseler Entenpopulation vor und nach dem Festival sowie eine gemeinsame Reinigungsaktion der Veranstalter. Der Heubergpark dürfte nie so sauber sein wie nach den Festivals.

Mit wieviel Herzblut aber auch Improvisationstalent die Veranstalter – bei aller nötigen Professionalität – ans Werk gehen, zeigt eine Anekdote aus den frühen Festivaltagen. Ein Aggregat zur Stromversorgung war von einer Spezialfirma unbemerkt viel zu dicht an der Bühne abgestellt worden, sodass an einem Feiertag und dazu privat spontan ein 35-Tonnen-Autokran aufgetrieben werden musste, der sehr zur Freude der männlichen Konzertbesucher das Aggregat während des Festivals mit großem Geschick versetzt hat.

Bis 2013 fanden die Festivals weiter an einem Tag statt, danach an jeweils zwei Tagen und auf zwei Bühnen sowie zumeist im Mai bei schönem Frühlingswetter. Das Festival ist nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt, sondern bietet deutschlandweit bekannten Bands ebenso eine Bühne wie Newcomern aus der Region. Die Verpflichtung neuer Bands wird aber dadurch erschwert, dass viele kommerzielle Veranstalter in ganz Nordrhein-Westfalen es den Musikern nicht erlauben, auf kostenlosen Events aufzutreten, um die eigenen Kartenverkäufe nicht zu behindern.

Mittlerweile haben auf 14 Festivals – 2020 fiel es wie vieles andere Corona zum Opfer – 222 Band vor fast 160.000 Zuschauerinnen und Zuschauern gespielt. Die Initiatoren wurden für ihr ehrenamtliches Engagement mehrfach ausgezeichnet, so mit dem Ehrenamtspreis (2014) und dem Heimatpreis der Stadt Wesel (2019) sowie dem Klimaschutzpreis von Stadt und RWE (2014). Zu den Highlights gehörte sicherlich der Auftritt von „Bosse“ im Jahr 2019, der schon zehn Jahre vorher und noch als weitgehend unbekannter Künstler im Heubergpark aufgetreten war.

 

(Autor: Dr. Heiko Suhr)