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Stichtag: 24. August 1683 - Errichtung des Haltkinderhauses

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Die große Sozialeinrichtung des mittelalterlichen Wesel, die Heilig-Geist- oder St.-Spiritus-Stiftung, war ursprünglich für alle anfallenden sozialen Probleme in der Stadt zuständig. Seit dem 15. Jahrhundert übernahmen private Stiftungen wie auch Bruderschaften soziale Verantwortung, indem sie bestimmte Gruppen von Bedürftigen unterstützten. Ab dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts gingen aus dem Heilig-Geist-Hospital einige neue Stiftungen hervor, die zum Teil noch zusätzlich mit privaten Mitteln ausgestattet wurden, so die Waisenhaus-Stiftung (1576), das Pestgasthaus (1580) und 1683 das Haltkinderhaus.

Die Versorgung von Kindern war in früheren Zeiten ein besonderes Anliegen, da aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate vielfach Kinder unversorgt zurückblieben. Waisen, deren Eltern Weseler Bürger waren, wurden seit 1576 im Waisenhaus untergebracht und ausgebildet, falls sie nicht innerhalb ihrer Familien versorgt werden konnten. Alle anderen hilfsbedürftigen Kinder fielen in Wesel in die Rubrik Haltkinder. Ob Findelkinder, Voll- und Halbwaisen oder Kinder aus schwierigen Verhältnissen, die Heilig-Geist-Stiftung kümmerte sich um sie, indem sie sie in Pflegefamilien unterbrachte, eine monatliche Unterstützung zahlte und die Pfleglinge einkleidete. Im späten 16. Jahrhundert unterstützte die Stiftung jährlich zwischen 20 und 40 sogenannte Haltkinder; diese Bezeichnung geht auf den gezahlten Unterhalt zurück. Die Pflegefamilien konnten auch in den umliegenden Gemeinden wohnen. Dieses System der Erziehung in Pflegefamilien behielt die Stiftung auch bei, als sie 1683 ein gesondertes Haltkinderhaus einrichtete. Für diese Sonderstiftung innerhalb des Hospitals hatte die Stadt ein ihr gehörendes Gebäude in der Magermannstraße ausgesucht, dass an das Hohe Haus, seit 1625 Sitz des Hospitals, grenzt. Das Gebäude wurde vom Militär als Torflager genutzt und nun als Kinder- und Werkhaus hergerichtet. Die Hauseltern betreuten die Kinder ab vier Jahren; jüngere Kinder kamen nach wie vor in Pflegefamilien. Die Zöglinge schliefen und aßen nach Geschlechtern getrennt und gingen entweder zur Schule oder gingen einem Handwerk nach. Die älteren Mädchen erlernten ebenfalls ein Handwerk, daneben auch Nähen und sie mussten noch zusätzlich anderthalb Stunden zur Schule. Die Schule befand sich wohl im Waisenhaus an der Brüderstraße; der dortige Lehrer war auch für das Haltkinderhaus zuständig.

Die umfangreiche Haltkinderhaus-Ordnung vom 24. August 1683 blieb im Wesentlichen unverändert bis zur Aufhebung der Einrichtung gültig. Die Zahl der aufgenommenen Kinder lag in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts meist nur noch um die 20 – in früheren Jahren konnten es mehr als 40 sein. Im Jahre 1812 fiel das Haltkinderhaus zusammen mit dem Pestgasthaus wieder an die Hohe-Haus-Stiftung zurück. Das allgemein als Kinderhaus bezeichnete Gebäude ging an die noch heute bestehende und nach wie vor von der Stadt verwaltete Stiftung. Die noch vorhandenen zehn Haltkinder wurden zu den alten Leuten ins Hohe Haus gesteckt, weil das Kinderhaus als Gefängnis benötigt wurde und als solches noch in den 1840er Jahren diente. Einige Jungen kamen etwas später als Kontubernalen im Waisenhaus unter.

 

(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)