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Stichtag: 17. November 1514 - Abschaffung des Erbschöffentums

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Mehr als 250 Jahre galt in Wesel eine Magistratsverfassung, die den zwölf Schöffen eine überragende Bedeutung beimaß. Sie hatten das Kooptationsrecht, bestimmten also nach dem Tod eines Schöffen seinen Nachfolger, in der Regel den Sohn oder einen Verwandten des Verstorbenen. Sie bestimmten darüber hinaus auch elf der zwölf Ratsleute, in der Regel ebenfalls Söhne oder Verwandte. Nur der zwölfte Ratsmann wurde von den Bürgern indirekt über fünf Wahlmänner mitgewählt. Aus dem Schöffenkollegium wählten die Schöffen und Wahlmänner den Bürgermeister sowie mit den Ratsleuten die beiden Burmeister genannten Rentmeister aus den Reihen des Ratskollegiums. In diesem Erbschöffentum genannten System hielten im Prinzip zwölf Schöffenfamilien alle Macht in ihren Händen. Aufstrebende, vermögende Kaufmannsfamilien hatten nur eine Chance der Teilhabe, wenn Mitglieder in die herrschenden Familien einheirateten. Die Schöffenwahl wurde 1450 modifiziert. Nunmehr wählten fünf Wahlmänner gemeinsam mit den Schöffen sechs Wochen nach dem Tod einen neuen Schöffen.

In der Bürgerschaft gab es seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Bestrebungen, das Erbschöffentum abzuschaffen. Die zahlreichen wohlhabenden Kaufleute, die keinen Anteil an der Macht hatten, konnten sich zwar nicht durchsetzen, hatten aber durchaus eine zunehmend stärker werdende Teilhabe an der Entscheidungsfindung des Magistrats. Dieser musste sich bei unpopulären Maßnahmen zunehmend der Bürgerschaft versichern, die dazu Deputierte oder Gemeinsfreunde in unterschiedlicher Anzahl wählte.

Im frühen 16. Jahrhundert gab es Beschwerden aus der Bürgerschaft beim Herzog, der jedoch erst eingriff, als er selbst mit der Stadt aneinandergeriet. Diese nahm 1512 per Gerichtsbeschluss Bedienstete des Landesherrn in Gewahrsam, die nahe der Stadt von Kaufleuten aus dem Münsterland einen Wagenzoll erhoben; der Zoll war nach Ansicht Wesels nicht gerechtfertigt. Der Herzog wiederum setzte die Weseler Zollvergünstigungen außer Kraft, was die Weseler Kaufleute und Schiffer erheblich traf. Wesel hatte zwar insbesondere wegen der Verteidigung der eigenen Privilegien Rückendeckung durch die klevischen und märkischen Städte erhalten, genutzt hat es nichts. Im November 1514 kam es zu einer Einigung zwischen Stadt und Herzog, vermittelt vom Sohn des Herzogs und den klevischen Ständen. Am 17. November verordnete der Landesherr der Stadt eine neue Verfassung, die am Vortage bereits vom Weseler Magistrat beschlossen worden war. Das Erbschöffentum wurde zugunsten eines Wahlschöffentums abgeschafft. Die Bürger der Altstadt - nur die durften bis 1598 wählen - kamen am Montag nach dem zweiten Fastensonntag (Reminiscere) in der Willibrordikirche zusammen und wählten viertelsweise in den ihnen zugewiesenen Kapellen je drei Gemeinsfreunde. Diese zwölf kürten anschließend die zwölf Schöffen. Die Schöffen wurden vereidigt und wählten aus ihrer Mitte zwei Bürgermeister, den Stadt- und den Feldbürgermeister für innere und äußere Angelegenheiten. Schöffen und Gemeinsfreunde bestimmten danach je sechs Ratsmänner, aus deren Mitte die Schöffen zwei Rentmeister wählten. Da es vorkam, dass Gemeinsfreunde in den Magistrat gewählt wurden, wurden ihre Reihen wieder aufgefüllt. Die Viertplatzierten aus den Vierteln mit Abgängen rückten nach.

Diese Wahlordnung hatte fast 200 Jahre bestand. Sie wurde im Januar 1714 durch Friedrich Wilhelm I. von Preußen außer Kraft gesetzt. Die 1713 gewählten Ratsmitglieder und Gemeinsfreunde blieben im Amt und wurden nach ihrem Abgang oder Ableben gegebenenfalls von Berlin ersetzt.

 

(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)