Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Wesel finanzierte sich im Wesentlichen aus Einnahmen, die ihr der Landesherr als Privileg zusprach. Dazu gehörte insbesondere eine Reihe von Akzisen, also Verbrauchssteuern. 1324 erhielt die Stadt erstmals das Recht, Akzisen zur Verbesserung ihres Haushaltes zu erheben. Eingezogen wurde die Abgabe für alle Güter, die über die Waage und das Salzmaß gingen, so z.B. für Wein und Fisch sowie allen Arten von Holz. Seit 1373 erhob die Stadt Wesel auch eine Akzise auf Butter und Kohlen.
Am 17. April 1701 erließ der Weseler Magistrat nach Rücksprache mit der Bürgerschaft außerdem ein Edikt zur Einführung einer Kaffee- und Teesteuer. Allgemein konnten die Stadtvertreter mit Edikten Einfluss nehmen auf das gesamte Leben und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Einwohner und Einwohnerinnen Wesels. Durch diese obrigkeitlichen Verordnungen wurde praktisch alles von der Wahl des Magistrats selbst bis zur Straßenreinigung und Müllabfuhr bestimmt. Ein Großteil der Edikte betraf aber das wirtschaftliche Leben in der Hansestadt.
Die Begründung zur Einführung der neuen Abgabe, die auch die Erhöhung bereits bestehender Akzisen betraf, klingt fast modern. Es sei nicht nur ein Ansteigen der Ein- und Ausgaben zu verzeichnen, sondern gerade die ungeplant angefallenen, aber notwendigen infrastrukturellen Arbeiten am Rhein und in der Stadt hätten dazu geführt, dass der Weseler Haushalt am Rande des Ruins stehe. Im damaligen bürokratischen Duktus heißt es, die neuen Abgaben seien einzuführen in „Vermeidung des […] gäntzlichen Ruins unserer Oeconomie“. Der Magistrat vergaß auch nicht darauf hinzuweisen, dass man vor Einführung der Kaffee- und Teesteuer verschiedene andere Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzsituation ergriffen habe, die aber nicht von Erfolg gekrönt gewesen seien. Die Einnahmen in vielen Bereichen, besonders aber bei der Abgabe für Korn, seien so stark zurückgegangen, dass die städtischen Rücklagen aufgezehrt und neue Abgaben somit unumgänglich seien.
Auf jedes bereits in der Stadt vorhandene und in Zukunft in die Stadt hineingebrachte Pfund ungebrannter Kaffeebohnen (im Edikt: „rohe Caffe-Bohnen“) seien zukünftig zwölf Stüber zu zahlen. Auf gemahlenen Kaffee wurden sogar 16 Stüber erhoben. Für Tee waren fortan vier Taler pro Pfund fällig. Die Warenmenge musste dafür beim Torschreiber angegeben und dem Steuereinnehmer vierteljährlich gemeldet werden. Mit der Einführung dieser neuen Akzisen sind auch die bereits bestehenden Abgaben für Branntwein und Wacholderschnaps um dreißig und für Tabak gar um dreihundert Prozent erhöht worden. Weiterhin ist auch das Korn, das zum Brennen von Alkohol verwendet wurde, höher besteuert worden.
Die vierteljährlich zu entrichtenden Abgaben waren gesondert abzuführen. Der Hintergrund war, dass die über die neue Akzise generierten Gelder nicht in den städtischen Haushalt einflossen, sondern den Kreditgebern der Stadt bis zur vollkommenen Tilgung des Kapitals nebst den entsprechenden Zinsen zustanden. Die Stadt hatte sich also bereits in nicht unerheblicher Höhe verschuldet.
Dass dem Magistrat dabei die Sozialverträglichkeit der Abgaben wichtig war, wird aus dem Edikt auch deutlich. Dort heißt es, man glaube mit der Einführung einer Akzise auf Produkte, die nicht dem täglichen Bedarf zuzurechnen waren, die eigenen Einwohner, insbesondere auch die ärmeren, so wenig wie möglich zu belasten. Formvollendet formuliert im Edikt war zu lesen, dass die neue Abgabe bewusst auf „zur Subsistenz des Menschen wenigst-nötige und die Armut minsttrückende“ Produkte erhoben werden sollte. Insgesamt sei die Einführung als außergewöhnliche Maßnahme (im Edikt: „extradinaire Mittel“) zu verstehen. Auch hier war man dem Zeitgeist voraus, denn Friedrich der Große erhöhte in Preußen erst am 14. April 1766 – nach den katastrophalen Folgen des Siebenjährigen Krieges – die Steuer für Luxusprodukte wie Wein, Likör und Kaffee spürbar. Die Kaffeezölle gehörten im 19. Jahrhundert zu den wohl wichtigsten Abgaben der deutschen Einzelstaaten.
Dass die Erhöhung der Verbrauchsteuer auf Luxusprodukte grundlegenden Erfolg bei der Haushaltskonsolidierung versprach, zeigt die abermalige Erhöhung dieser Abgaben zum 1. Mai 1705. So waren nun bereits 24 Stüber für ein Pfund gemahlenen Kaffee abzugeben. Die Akzeptanz solcher Abgaben scheint aber nicht sehr hoch gewesen zu sein, denn die Erhöhung erfolgte nun – anders als noch 1701 – ohne Konsultation der Bürgerschaft, was auf zu erwartende Proteste schließen lässt. Der Konsum von Kaffee, der kein Produkt der reichen Oberschicht mehr war, hatte auch in Wesel spürbar an Beliebtheit gewonnen. Auf in Cafés öffentlich konsumierten Kaffee war dementsprechend sogar der doppelte Steuersatz veranschlagt. Daraus ersichtlich ist somit, dass es um 1700 schon eine Kaffeehauskultur in der Hansestadt Wesel gegeben haben muss, die sich großer Beliebtheit erfreute. Das ist insofern bemerkenswert, da sich der Kaffeegenuss in Europa überhaupt erst nach dem 12. September 1683 – mit der Schlacht am Kahlenberg endete die Zweite Wiener Türkenbelagerung – von Wien ausgehend verbreitet hatte.
(Autor: Dr. Heiko Suhr)