Durch die Aufhebung der Festung im Jahre 1889 konnten alle bestehenden Weseler Schulen sukzessive ihren beengten Verhältnissen entkommen. Bis auf eine Schule erhielten alle anderen neue und damit moderne Gebäude außerhalb der ummauerten Stadt. Die alten Schulen wurden bis auf eine einer neuen Nutzung zugeführt. Die letzte der alten Schulen, die ihre alten Gebäude verließ, war die katholische Volksschule St. Martini. Diese Lehranstalt musste bis dahin mit dem Umstand leben, auf zwei Schulgebäude am Flesgentor bzw. in der Neustraße verteilt zu sein, ein älteres zweigeschossiges Gebäude sowie ein 1879 als Schule gebautes dreigeschossiges Gebäude. Bis 1879 war die Schule, die damals acht Klassen umfasste, auf sechs Lokalitäten verteilt. Das neue Schulgebäude schuf wegen der steigenden Schülerzahlen keine wirkliche Abhilfe. Auch der Abgang der Schüler aus Hamminkeln (1892), Flüren (1900) und aus der Feldmark (1902), die neu errichtete Schulen ihrer Wohnorte besuchen konnten, führten zu keiner Entlastung der angespannten Verhältnisse. Der Schulträger plante daher einen Neubau an der Mölderstraße. Dieser unterblieb, weil alle Volksschulen 1906 von der Stadt übernommen wurden. Der neue Schulträger setzte sich zum Ziel, die drei Volksschulen baldmöglichst adäquat unterzubringen. Die Martinischule, deren Vertreter ihre Schule immer als stiefmütterlich behandelt betrachteten, musste am längsten warten. Das lag an dem Umstand, dass beim Neubau des Gymnasiums am Herzogenring die Stadt dem Fiskus zusagen musste, die alte Schule an der Pergamentstraße zu übernehmen. Da die Raumnot jedoch so groß war, baute die Stadt 1908/09 gezwungenermaßen in der Gantesweilerstraße ein zweiklassiges Schulhaus, das später Wohnzwecken zugeführt werden sollte. Nach der Übersiedlung des Gymnasiums an den Herzogenring im Jahre 1912 wurde die verlassene Anstalt gründlich renoviert und modernisiert, um den neuesten Schulstandards zu genügen.
Die Martinischule erhielt demnach im Gegensatz zu den anderen Schulen kein neues Schulgebäude, sondern sollte das alte Gymnasiums an der Pergamentstraße beziehen. Dort befanden sich auf dem Gelände des ehemaligen Schwesternhauses Mariengarten drei Schulgebäude, das alte, 1882 umgebaute Konventsgebäude an der Langen Beguinenstraße, das 1882 eingeweihte neue Klassengebäude an der Pergamentstraße sowie das 1896/97 errichtete Schulgebäude mit sechs Klassen sowie einem Zeichensaal, welches an der südlichen Grundstücksgrenze zur Hohen Straße stand. Im Osten gab es noch die 1882 fertiggestellte Turnhalle. Die Turnhalle wurde ebenso wie das jüngste Schulgebäude erweitert. Zu den Neuheiten zählte auch eine Badeeinrichtung im Keller des Südflügels.
Im Jahre 1913, nach einem Jahr, waren die Umbauarbeiten abgeschlossen. Die feierliche Einweihung der neuen Martinischule fand am 13. Oktober 1913 um 11 Uhr in der lorbeergeschmückten Turnhalle statt. Zahlreiche Ehrengäste aus Verwaltung, Politik und Kirche fanden sich ein. Der städtische Baurat Klemens Kochs übergab die Schule an Bürgermeister Ludwig Poppelbaum, der wiederum diese an Anton Draht, den Rektor der Martinischule, weiterreichte. Neben diesen dreien sprachen noch der Landrat Leopold Graf von Spee sowie der Kreisschulinspektor Klemens Laumanns. Anton Drath und sein Lehrerkollegium waren mit den neuen Verhältnissen mehr als zufrieden. Sie hatten zwar am längsten warten müssen, erhielten dafür aber ein großzügiges modernes Schulgebäude mit großem Hof und Turnhalle in der Innenstadt.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)