Den Zerstörungen am Ende des Zweiten Weltkrieges fiel in Wesel auch die nicht einmal 40 Jahre alte Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt in der Brüderstraße zum Opfer. Gebaut wurde die Kirche in den Jahren 1904-1908 von dem bekannten, in Düsseldorf tätigen Architekten Caspar Clemens Pickel (1847-1939), der im Rheinland eine Vielzahl katholischer Kirchen errichtet hat. Pickel leitete die Arbeiten nicht selbst, sondern übertrug die Bauführung dem aus Neuwied stammenden Architekten Hermann Merl (1877-1945), der schon für ihn bei zwei anderen Kirchneubauten tätig war. Merl ließ sich in Wesel nieder und betrieb hier ein erfolgreiches Architekturbüro.
Von der Pfarrkirche blieben 1945 nur Reste erhalten, so die Krypta, das Fußbodenmosaik und der Taufstein der Taufkapelle von 1934, der schwer beschädigte Kirchturm und der untere Teil der Fassade des neugotischen Hauptportals. Es dauerte Jahre, bis das Grundstück enttrümmert war und wieder bebaut werden konnte. 1950 wurde der Kölner Architekt Rudolf Schwarz (1897-1961) mit der Planung einer neuen Kirche beauftragt. Dieser wollte von Anfang an die noch vorhandenen Bauteile der alten Kirche in seine Planungen miteinbeziehen, also die Ruine der alten mit der neuen Kirche verbinden und damit „eine interessante und auch liturgisch nicht bedeutungslose Gruppe" schaffen. Die Kirchturmruine, deren Eingang vermauert wurde, diente fortan als Erinnerungs- und Mahnmal. Der untere Teil des Hauptportals wurde zu einer Vorhalle umgestaltet.
Im Jahre 1960 plante Rudolf Schwarz, da der alte Turm nicht mehr in die Silhouette der neuen Stadt passte, eine moderne Umgestaltung im Stil der neuen Kirche. Dazu sollte der Turm ummantelt und als Glockenturm ausgebaut werden. Im Turm hing bereits seit dem 6. Dezember 1957 die kleine Antonius-Glocke, die bis dahin in einem Provisorium neben der Kirche ihren Dienst versah. Im Mai 1960 öffnete man den vermauerten Eingang und richtete den Turm wieder her. Am 25. Mai 1960 wurde die erste neue Glocke geweiht und zwei Tage später im alten Glockenstuhl montiert. Ein weiterer Ausbau unterblieb, da im März 1961 der Turm für so baufällig erklärt wurde, dass die Antonistraße und der Haupteingang der Kirche gesperrt werden mussten. Die Kirche konnte nur über ein sofort gebrochenes provisorisches Portal in der hinteren Südwand betreten werden. Es sollte sobald als möglich abgebrochen werden, wofür die Stadt sorgen wollte, falls die Regierung dafür Enttrümmerungsmittel zur Verfügung stellte. Als die Landesmittel bewilligt waren, konnte am 12. Juli 1961 mit dem Abbruch des alten Turmes begonnen werden. Das bewilligte Geld war ausdrücklich nur für das Abtragen des Gebäudes bis zum Erdboden vorgesehen. Das mächtige Turmfundament sollte bleiben und eigentlich als Fundament für den neuen, noch von Rudolf Schwarz entworfenen Turm verwendet werden. Aber auch hier hatten die Bomben Risse verursacht, die eine Nutzung unmöglich machten. Wegen der hohen Abbruchkosten verzichtete man auf eine Entfernung und baute stattdessen vor den alten den neuen Turm. Gebaut wurde dieser von 1962 bis 1964. Das letzte überirdische Überbleibsel der alten Kirche, das alte Eingangsportal, wurde während des Abbruchs restauriert und anschließend unter Denkmalschutz gestellt.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)