Zu den bedeutenden Privilegienurkunden, die die Grafen von Kleve ihrer Stadt Wesel ausstellten, gehört zweifelsohne die Urkunde vom 11. Januar 1329. Die umfangreiche Urkunde vereinigte fünf unterschiedliche Privilegien; Graf Dietrich der IX. verordnete unter anderem das Hegemal zu Wesel als oberstes Gericht, erlaubte die Einrichtung des Wollenamtes nach Gocher Vorbild, befreite die um die Stadt liegenden Gärten Weseler Bürger von seinem Zehnten und gewährte die Errichtung einer Windmühle.
Bei der letztgenannten Bestimmung verzichtete der Landesherr auf sein ihm als Grundherrn zustehendes Mühlenrecht. Der damit verbundene Mühlenbann, die Verpflichtung der Untertanen des Grundherrn an seiner Mühle mahlen zu lassen, ging an die Stadt über. Wir wissen jedoch nicht, ob der Landesherr überhaupt in oder bei Wesel eine Windmühle betrieb. Dem klevischen Urbar von 1318 zufolge unterhielt er allerdings keine Windmühle; die im Urbar erwähnten Windmühlen um Wesel gehörten nicht ihm, sondern dem Gasthaus St. Johann und dem Kloster Oberndorf. Der Landesherr gab demnach mit dem Privileg keine eigene Mühle auf.
Die Stadt errichtete eine Windmühle auf einem Turm hinter der Schmidtstraße unweit der Ritterstraße. Die Mühle wurde an den Weseler Bürger Henricus de Dike (uppen Dike) verpachtet. Heinrich und seine Nachkommen betrieben die Mühle bis spätestens 1373. Diese Turmwindmühle war älterer Bauart und konnte nicht in den Wind gedreht werden. Die Flügel mussten beim Bau in der Hauptwindrichtung angebracht werden.
Die Dikenwindmühle wurde spätestens 1373 durch eine neue Turmwindmühle auf dem Kaldenbergturm im Südosten der Stadt ersetzt. Vermutlich hatte sie anfangs auch keine bewegliche Haube, sondern erhielt sie erst im Laufe des 15. Jahrhunderts. Abbildungen dieser Mühle gibt es erst seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts; die Mühle hatte damals natürlich eine bewegliche Haube, war vom Typ her eine Holländerwindmühle. Die Mühle war ursprünglich an die Weseler Familie Snackert verpachtet, die insgesamt drei Mühlen betrieb, darunter eine Roßmühle am Kaldenberg, und diese 1422 an die Stadt verkaufte. Sie musste 1701/02 dem Festungsbau weichen und wurde durch die 1701 erbaute Isselwindmühle an der Brüner Landstraße ersetzt.
Die Stadt besaß im 16. Jahrhundert nicht nur die lizensierte eine Windmühle, sondern schon vor 1585 noch eine weitere auf dem Eckturm an der Brandstraße. Eine weitere städtische Windmühle, die allerdings 1673 abbrandte, befand sich seit dem frühen 17. Jahrhundert auf dem Rondell vor dem Brüner Tor.
Seit dem späten 16. Jahrhundert bemühte sich die Stadt, die um Wesel herum betriebenen Windmühlen zu erwerben. Sie pachtete ab 1597 die Windmühle des Gasthauses St. Johann, die unweit des an der Ecke Reeser/Hamminkelner Landstraße gelegenen Leposenhauses stand, pachtete ab 1600 die Mühle der Armen der Mathena, die vor dem Dämmer Tor und später am Lilienveen stand, und kaufte 1612 die Windmühle des Klosters Oberndorf, die vor der Stadt in den Siepen lag. Die Siepenwindmühle fiel 1704 dem Festungsbau zum Opfer, die Armenmühle am Heiligen Berg, auch Rote Mühle genannt, brannte 1749 ab und die Mühle des Gasthauses war im 18. Jahrhundert vermutlich nicht mehr vorhanden. Es gab nur einen Windmühlenneubau, der wohl die Verluste aufwog. Dieser wurde 1737 nahe der Rheinvorstadt errichtet und war die letzte städtische Windmühle, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts stillgelegt wurde. Ihre Arbeit übernahmen die damals modernen Dampfmühlen.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)