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Stichtag: 1. Oktober 1953 – Kriegsheimkehrer aus Russland treffen in Wesel ein

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Im Zweiten Weltkrieg gerieten rund 11 Millionen deutsche Soldaten in Kriegs­gefangenschaft, davon rund 3,3 Millionen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjet­union. Die sowjetische Regierung nutzte die deutschen Gefangenen, oft in überfüllten Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht, als Arbeitskräfte z.B. im Bergbau, in Fabriken oder in der Landwirtschaft. Die Arbeitsbedingungen waren extrem hart. Nur etwa zwei Drittel der Gefangenen kehrten zurück in die Heimat, während rund eine Million umkamen oder als vermisst erklärt wurden. Als Folge diplomatischer Bemühungen wurde ein Großteil bereits 1949/1950 entlassen, während andere Gefangene bis in die 1950er Jahre auf ihre Freilassung warten mussten. Die Erfahrungen, die sie aus der Gefangenschaft mitbrachten, waren traumatisch und prägten sie für den Rest ihres Lebens. Viele litten unter physischen und psychischen Folgen und hatten Schwierigkeiten, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren.

Unter den 1953 Freigelassenen befanden sich Fritz Holwein und Richard Salewski, beide Familienväter, beide Anfang 40, beide einst zur genormten Strafe von 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Bemühungen um ihre Freilassung und die ihrer Mitinsassen kamen zwei Monate zuvor erneut ins Rollen, als DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl am 20. August 1953 zu Verhandlungen nach Moskau flog. Dabei wurde u.a. ein Vertrag über die Rückführung der verurteilten Gefangenen in beide deutsche Staaten geschlossen. Einige Wochen später (und zugleich auch 14 Tage vor der damaligen Bundestagswahl, durchaus zum leisen Argwohn westdeutscher Zeitungen), gab die Sowjetunion dann die Begnadigung und Entlassung von mehreren Tausend Kriegsgefangenen aus dem gesamten deutschen Raum bekannt.

Fritz Holwein, nun wieder auf freiem Fuß stehend, war SS-Sturmbandführer gewesen, als er 1943 in Russland in Gefangenschaft geriet. Sechs Jahre später, am 27. Dezember 1949, präsentierte ihm das Militärtribunal in Riga sein endgültiges Urteil: 25 Jahre Zwangsarbeit im Lager Swerdlowsk-Rewda im Mittleren Ural, 400 Kilometer von der Grenze zu Kasachstan entfernt. Holwein verrichtete dort Elektrikerarbeiten für 700 Rubel im Monat (450 davon blieben für Kost und Verpflegung im Lager). Materielle (und vor allem kalorienreiche) Hilfe kam in Form von Nahrungsmittelpaketen aus der Heimat. Am 18. September 1953 fand seine Gefangenschaft ein Ende. Mit dem ersten von mehreren Transporten gelangte Holwein zuerst in das Grenzdurchgangslager im niedersächsischen Friedland, wo er von seiner Schwester im Pkw abgeholt wurde, von dort nach Dinslaken und schließlich nach Wesel. Seinen mittlerweile neunjährigen Sohn sah er bei der Wiedersehensfeier das erste Mal.

Einen ähnlichen Weg hatte auch Richard Salewski hinter sich. Als ostpreußischer Infanteriemajor war der 42jährige im Jahr 1943 gefangen genommen worden. Sein Urteil über 25 Jahre Gefangenschaft wurde am 17. April 1950 in Kiew ausgesprochen. Nach einer Übergangszeit in verschiedenen Gefängnissen und Lagern wurde Salewski im Februar 1951 in das Lager Perwouralsk im Ural verschickt, etwa 40 Kilometer westlich von Jekaterinburg, wo er zu Industriearbeiten eingesetzt wurde. Die dortige Behandlung besserte sich nach dem Tod von Stalin und schließlich wurde Salewski zusammen mit 480 weiteren Gefangenen nach Hause geschickt. Der Zug führte über Moskau und Warschau Richtung Frankfurt an der Oder, wo Beamte des Staatssicherheitsdienstes darauf achteten, dass niemand mit den Heimkehrern in Berührung kam. Von dort aus landete auch Salewski im Auffanglager Friedland. Er kam einen Tag nach Holwein in seiner neuen Heimat an und wurde am Weseler Bahnhof von seiner Frau und seinen beiden Töchtern begrüßt.

Beide Heimkehrer brauchten nach ihrer Rückkehr Ruhe weit dringender als laute Demonstrationen und baten darum, von öffentlichen Begrüßungsszenen abzusehen. So waren lediglich Oberkreisdirektor Dr. von Bönninghausen und Stadtdirektor Dr. Reuber am ersten Tag für eine halbe Stunde zu Gast. Sie überbrachten gemeinsame Geschenke, die aus einer Spende von 300 DM und einem Frühstückskorb bestanden. Hinzu kamen weitere 300 DM von Bund und Land. 

 

(Autorin: Lena Koch)