Cum anno 1354. 7. Augusti igne vastissimo fere tota Vesalia absumeretur - Als am 7. August 1354 durch ein riesiges Feuer fast ganz Wesel niederbrannte. ...
So berichtet der berühmte Weseler Historiker und reformierte Prediger Hermann Ewichius (1601-1673) in seiner 1668 erschienenen „Beschreibung der Stadt Wesel". Der Weseler Chronist des 18. Jahrhundert, Peter Theodor Anton Gantesweiler (1736-1798), berief sich in seiner 1795 abgefassten, jedoch erst 1881 gedruckten „Chronik von Wesel", auf eben jenen Ewichius und spekulierte letztlich, was alles dem großen Stadtbrand zum Opfer fiel: Neben dem Dominikanerkloster wurde das Rathaus mitsamt dem Archiv ein Raub der Flammen.
Ewichius gibt unbewusst seine Quelle preis, denn er erzählt vom abgebrannten Dominikanerkloster in der Brüderstraße, das mit Unterstützung der aus Wesel stammenden Dominikaner Ludwig de Foro und Dietrich von Wissel wieder aufgebaut worden war. Der Kalvinist Ewichius benutzte allem Anschein nach die Chronik der Weseler Dominikaner und fasste die entsprechende Passage mit dem Klosterbrand zusammen.
Es gibt zwei weitere Quellen, die von einem Brand berichten, jedoch von Ewichius und Gantesweiler nicht eingesehen wurden. Die Stadtrechnung des Jahres 1354 erwähnt mehrfach, aber eher beiläufig den Brand; die umfangreichen Arbeiten an der Stadtmauer und dem Stadtgraben werden teilweise datiert mit Hinweis, ob sie vor oder nach dem Brand (ante/post incendium) waren. Nur zwei Ausgaben nehmen unmittelbaren Bezug auf das Feuer. Während des Brandes brachen die Schlüssel des weit entfernten Fischtor und mussten ersetzt werden. Während der Feuersbrunst wurden Wächter für eine neuntätige Nachtwache verköstigt; es dürfte sich aber nicht um eine Brandwache gehandelt haben, sondern hier ging es wohl wegen der Bauarbeiten an der Stadtmauer um den besonderen Schutz der Stadt. Der Schaden für die Stadt war marginal, da weder 1354 noch in den folgenden Jahren Geld für die Beseitigung von Brandschäden ausgegeben wurde. Im Jüngeren Bürgerbuch, der anderen Quelle, werden die Weseler Maße beschrieben, die durch das Feuer vernichtet und deshalb ersetzt werden mussten.
Weitere Nachrichten fehlen. Es wird nirgendwo berichtet, dass das Rathaus, die Stadtkirche oder eines der anderen Klöster abbrannte, was anzunehmen wäre, wenn „fast ganz Wesel niederbrannte". Schaut man sich die Überlieferung dieser Institutionen an, so ist leicht festzustellen, dass es weder bei der Stadt noch bei der Pfarrkirche, den übrigen Klöstern, Beginenhäusern, Gasthäusern oder Stiftungen Lücken in der Überlieferung gegeben hat. Urkunden, Handschriften und Amtsbücher vor 1354 sind reichlich vorhanden. Betrachtet man hingegen den sehr gut dokumentierten Stadtbrand von 1381, der im Bereich von Ritter-, Schmidt- und Torfstraße wütete, so fällt auf, wie der Weseler Magistrat auf dieses Ereignis reagiert. Er erließ Brandschutzordnungen und betrieb eine effektive Vorsorge. Nichts von alledem geschah nach 1354.
Die Feuersbrunst beschränkte sich wohl im Wesentlichen nur auf das älteste und der Fläche nach größte Kloster Wesels und betraf vielleicht noch die benachbarten Häuser an der Feld-, Antoni-, Brüder- und Sandstraße.
Der größere Teil der Stadt blieb 1354 wahrscheinlich ebenso verschont wie 1381. Da das Kloster vornehmlich aus Steinbauten mit Schieferdeckung bestand, dürfte die Brandursache bzw. die Ausbreitung des Feuers nicht durch Brandlast wie Strohdächer oder hölzerne Giebel verursacht worden sein. Die Feuersbrunst war eine Katastrophe für das betreffende Kloster, jedoch keine für die Stadt; sie kam glimpflich davon und verlor weder das Rathaus - ein solches gab es damals noch gar nicht - noch ihr Archiv.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)