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Stichtag: 05. Februar 1946 - Kein Bauwerk von Dauer - Die Montgomery-Brücke wurde eingeweiht

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Die Amerikaner hatten unmittelbar nach der Einnahme Wesels am 25. März 1945 begonnen, zwei provisorische, einspurige Kriegsbrücken über den Rhein zu schlagen, eine für die Eisenbahn (Gouldin Bridge) und eine für Kraftfahrzeuge (Roosevelt Bridge). Die Brücken befanden sich links und rechts der zerstörten Rheinbabenbrücke. Die einspurige Straßenbrücke genügte schon kurz nach Kriegsende nicht mehr den Verkehrsanforderungen; zudem galt sie wegen ihrer Durchfahrtsöffnung von nur 27,80 Metern als Schifffahrtshindernis. Die Pionierabteilung der britischen Rheinarmee und der Oberpräsident der Rheinprovinz in Düsseldorf einigten sich daher rasch - im Frühsommer 1945 - auf den Bau einer neuen, besseren Rheinbrücke. Errichtet wurde eine sogenannte Bailey-Brücke, benannt nach dem britischen Ingenieur Sir Donald Bailey, der diese Brücke entwickelt hatte und die Weseler Baustelle später auch in Augenschein nahm. Dieser Brückentyp bestand aus genormten, vorgefertigten Einzelelementen (Fachwerkrahmen), die hintereinander mit Bolzen und Schrauben verbunden werden konnten. Da die Bausegmente nur für eine Fahrspur ausgelegt waren, mussten zwei Bailey-Brücken nebeneinander gebaut werden - eine für jede Fahrtrichtung. Den etwa 1,85 breiten Zwischenraum richtete man für Fahrradfahrer her. An den beiden Außenseiten wurden 1,20 Meter breite Fußgängerwege angehängt. Die Weseler Bailey-Brücke war die größte ihrer Art, sowohl bei der Spannweite wie auch bei der Gesamtlänge. Zur Erhöhung der Tragfähigkeit konnten bis zu drei Fachwerkrahmen zu einem Hauptträger zusammen- sowie drei dieser Hauptträger aufeinandergesetzt werden. Man rechnete mit einer Bauzeit von etwa einem Jahr.

Die Weseler Brücke hatte eine Gesamtlänge von 619,82 Meter lang, ruhte auf neun Pfeilern und hatte zwei Durchlässe für die Schifffahrt, jede 73,15 Meter breit. Die Arbeiten begannen am 2. Oktober 1945 mit den Rammarbeiten für die Pfeiler, die 50 Tage dauerten. Für diese Arbeiten benutze man die teilweise abgebrochene Roosevelt Bridge als Ramm- und Arbeitsbühne. Die Arbeiten an den Pfeilern wurden durch Tag und Nachtschichten in Rekordzeit vollendet. Während den Pfeilerbau deutsche Firmen ausführten, wurde der gesamte Überbau ausschließlich durch britische Pioniereinheiten errichtet. Die Brücke erhielt an beiden Enden Portale und konnte bereits am 5. Februar 1946, nach nur gut viermonatiger Bauzeit, dem Verkehr übergeben werden. Die Ansprache vor vornehmlich britischen Gästen hielt Generalleutnant Thomas, der die Brücke als ein „Bauwerk von Dauer" und ein „bleibendes Denkmal" sah und ihr in Erinnerung an den englischen Rheinübergang im März 1945 den Namen Montgomery-Brücke gab. Eigentlich sollte die Brücke Panzer tragen können, aber wegen der ungewöhnlich schnellen Errichtung beschloss man, vorsichtshalber erst einmal alle LKW-Transporte vor der Überfahrt sorgfältig zu prüfen. Für die Unterhaltung sorgten noch zwei Monate britische Pioniere bzw. deren deutsche Gefangenenkompanie; dann übernahmen diese Arbeiten 20 deutsche Zivilarbeiter. Am 13. Januar 1947 ging die Brücke in die Zuständigkeit der Landesstraßenbaubehörde über.

Bailey-Brücken hingen baubedingt sichtbar durch; die Bolzenöffnungen hatten zur leichteren Montage Spiel. Die Vibrationen der Fahrbahnbeplankung wie auch des hölzernen Fahrradweges veranlassten den Volksmund, die Montgomery-Brücke in „Muntere Gummibrücke" umzubenennen.

Auch die Montgomery-Brücke erwies sich bald als havarieträchtiges Schiffshindernis. Sie wurde durch die am 18. Juni 1953 eingeweihte neue Rheinbabenbrücke ersetzt und am gleichen Tag geschlossen. Die Demontage durch die im Abbau von Bailey-Brücken versierte Weseler  Firma Gebr. Schmitz begann am 10. August 1953 mit dem Abriss der Portale und dem Entfernen der Einbauten. Am 8. September wurde die Brücke in der Mitte aufgetrennt und über zwei große Kabelwinden mit einer Geschwindigkeit von 18 Zentimetern pro Minute an Land gezogen. Begonnen wurde damit auf der Büdericher Seite, wo jeweils 30 Meter lange Stücke an Land zerlegt wurden. Die Einzelteile wurden in das britische Pionierdepot Mark/Hamm transportiert. Mit dem Abbruch der Pfeiler verschwanden im September 1953 die letzten Reste der ersten festen Nachkriegsrheinbrücke in Deutschland.

 

(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)