Zur besseren Verpflegung der Bevölkerung beschloss auf Empfehlung der Stadtverwaltung die Stadtverordneten-Versammlung am 26. Juli 1916, Massenspeisungen zu ermöglichen. Die Verwaltung erkundigte sich bei Einrichtungen dieser Art in anderen Städten und beschloss, eine Kriegsküche einzurichten. Jeder konnte dort Speisen zum Selbstkostenpreis und unter Anrechnung der auf Karten zu beziehenden Lebensmittel bekommen, also Fleisch, Fett und Kartoffeln. Die Karten mussten beim Erwerb von Tages- bzw. Wochenkarten für die Kriegsküche vorgelegt werden, Angerechnet wurde im Schnitt ein Drittel der Wochenmenge.
Eingerichtet wurde die Kriegsküche im Keller der Böhlschule. Dort wurden drei große Kessel mit einem Fassungsvermögen von 1.300 Litern aufgestellt, ein Raum zum Gemüse putzen und einer für die Essensausgabe hergerichtet. Die Lieferung der Kessel zog sich über mehrere Monate hin, so dass an eine Eröffnung noch im Jahre 1916 nicht zu denken war. Das Mittagessen sollte kräftig und nahrhaft sein. Es kostete pro Portion 40 Pfennig. Die Portion betrug etwa einen Liter, d.h. es wurden nur Suppen ausgegeben. In den ersten zwei Wochen gab es Tageskarten, damit die Teilnehmer die Leistungen der Küche kennenlernen konnten. Danach gab es nur noch Wochenkarten zu 2,40 Mark. Sonntags wurde nicht gekocht. Die Karten mussten im Vorhinein gelöst werden, damit die Kriegsküche über die Menge der vorzubereitenden Speisen informiert war. Die Ausgabe erfolgte zwischen 11.30 und 13 Uhr. Verzehrt werden musste das Essen in der eigenen Wohnung, d.h. es waren passende Gefäße mit genügendem Fassungsvermögen mitzubringen. Die Abholer mussten ihre Karten zur Entwertung vorlegen und die pro Portion ausgeteilten Blechmarken beim Empfang der Mahlzeit abgeben. Einzelpersonen ohne eigenen Haushalt konnten auch an der Speisung teilnehmen. Sie konnten gegen einen Aufpreis von 10 Pfennig die Speise in einer Gaststätte auf dem Heuberg, wohin geliefert wurde, verzehren. Es galt dann nicht der Trinkzwang. Die Kriegsküche übernahm auch die Verpflegung der bedürftigen Wöchnerinnen, die bislang vom Vaterländischen Frauen-Verein geleistet wurde.
Ausgegeben wurden die Wochenkarten montags zwischen 17 und 19 Uhr in der Verkaufshalle in der Pergamentstraße, in der Turnhalle am Wasserturm in der Brandstraße sowie anfangs auch in der städtischen Milchausgabestelle in der Neustraße.
Eröffnet wurde die Kriegsküche nicht, wie eigentlich in Aussicht gestellt, am 6. März 1917, sondern bereits am 5. Februar. Sie wurde in den ersten beiden Wochen von etwa 750 Personen täglich aufgesucht. Nach der Ausgabe von Wochenkarten, also nach dem 14. Februar, sank die Zahl der Teilnehmer auf etwa 350, wobei besonders die Beteiligung der Arbeiterschaft sank. Am 31. März 1917 wurden 1.339 Portionen ausgegeben. Die Kriegsküche war gezwungen die abgegebene Menge auf Dreiviertelliter pro Person zu senken, um die Versorgung zu gewährleisten. Die Verwaltung vergrößerte daraufhin die Kapazität der Kriegsküche.
In der Kriegsküche arbeiteten ein Koch und vier bis fünf Arbeiterinnen. Ausgegeben wurden die Speisen von ehrenamtlich tätigen Damen. Gekocht wurde mit Gas.
Die hauptsächlich verwendeten Nahrungsmittel waren Speck, Fleisch und Knochenfleisch, Erbsen, Bohnen, Graupen, gedörrtes Mischgemüse, Sauerkraut, Kartoffeln sowie frische und gedörrte Steckrüben, wobei der Anteil von Sauerkraut und Kartoffeln besonders hoch war – erheblich höher als der von Steckrüben. Zum Binden der Speisen verwendete man vornehmlich Haferpräparate.
Die Massenspeisungen wurden am 17. Juli 1917 eingestellt, da die Einwohner sich nun leichter mit frischem Gemüse selbst versorgen konnten. Am 6. März 1918 wurde die Kriegsküche zu den gleichen Bedingungen wie im Vorjahr wieder geöffnet und schloss am 6. August. Die Zahl der Teilnehmer war nicht mehr so hoch wie im Vorjahr. Am 5. März 1919 öffnete die Küche letztmalig. Kinderreiche Familien erhielten von nun an verbilligte Portionen. Die Kriegsküche schloss endgültig Ende August 1919 ihre Pforten.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)