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Stichtag: 05. Dezember 1990 - Einführung des Bildtelefons in Wesel

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Telekommunikationsmittel haben in Wesel eine lange Tradition. Schon 1885 regten Weseler Bürger öffentlich an, die Stadt ans Telefonnetz anzuschließen nachdem 1884 die Telefonleitungen von Köln nach Düsseldorf und Bonn installiert worden waren. Am 1. Dezember 1894 war es dann soweit und Wesel wurde zusammen mit 24 weiteren Orten der preußischen Rheinprovinz an die damals sogenannte „Stadtfernsprecheinrichtung“ angeschlossen. Dass es 1907 bereits 552 Teilnehmer gab, spricht für die große Akzeptanz der neuen technischen Möglichkeiten. 1927 kam es mit der Einführung des Selbstwähldienstes zum nächsten Meilenstein; bis dahin mussten die Gespräche stets vermittelt werden. Nach der kriegsbedingten Zerstörung 1944/1945 waren es die Alliierten, die auf den schnellen Wiederaufbau der Telekommunikation drängten und eine technisch moderne Infrakstruktur vor allem für ihre eigene Verwaltung umsetzten, an der aber zunehmend die Weseler Bevölkerung partizipieren konnte.

Knapp sieben Jahrzehnte nach dem ersten Telefongespräch auf Weseler Boden kam es abermals zu einer technischen Innovation. Bürgermeister Kurt Kräcker und Stadtdirektor Dr. Karl-Heinz Reuber führten Ende Juli 1962 das weltweit erste interkontinentale Telefongespräch per Satellit und übermittelten dabei die Grußworte der Stadt an die Vertreter in der amerikanischen Schwesterstadt Hagerstown. Nach den Eingemeindungen im Zuge der Kommunalreformen gab es 1975 insgesamt etwa 100.000 Telefonanschlüsse auf dem Weseler Stadtgebiet.

Seit den ersten Tagen des Fernsehens gab es den Wunsch, während des Telefonierens den Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin auch sehen zu können. Erste Versuche mit einem Bildtelefon wurden 1936 in Deutschland u.a. zwischen Berlin und München umgesetzt. Es war möglich, an öffentlichen Fernsprechstellen diesen Dienst testweise auszuprobieren, was sich zu einer exklusiven Freizeitbeschäftigung für Gutbetuchte entwickelte.

Ein weiterer technischer Fortschritt war die Umstellung der analogen auf die digitale Technik. Die Deutsche Bundespost plante ab 1982 die Einführung der ISDN-Technik – im Deutschen oft als „integriertes Sprach- und Datennetz“ bezeichnet –, die ab 1987 pilotiert wurde und ab 1989 offiziell in Betrieb ging. Der Vorteil ist die Nutzbarkeit verschiedener Dienste innerhalb eines Netzes mit zwei parallelen Verbindungen. Man konnte auf einer Rufnummer z.B. gleichzeitig telefonieren und faxen.

Auch das Fernmeldeamt Wesel hat dieses System mit einer Gesamtinvestition von 14,6 Millionen Mark eingeführt und am 5. Dezember 1990 auch medienwirksam als Start in ein neues Telekommunikations-Zeitalter inszeniert. Das erste Gespräch über das neue ISDN-System war ein Bildtelefonat zwischen Wesels Bürgermeister Wilhelm Schneider und seinem Duisburger Amtskollegen Oberbürgermeister Josef Krings. Nach einigen scherzhaften Floskeln hätten beide Bürgermeister dann aber – so berichtet es die Lokalpresse – den dem Ereignis angemessenen „staatsmännischen“ Ton getroffen. Anschließend wurde die neue Technik der Presse präsentiert. Über eine ISDN-Leitung, so erklärte es der technisch interessierte Weseler Bürgermeister, seien acht Geräte zur Übertragung von Sprache, Text, Bild und Daten zu betreiben. Der Weseler Fernmeldeamt-Chef Hans-Gerd Honemeyer ergänzte, ein Anschluss koste 74 DM monatlich und Bildgeräte seien für rund zweitausend Deutsche Mark zu erwerben. Die Weseler Stadtvertreter waren sich einig, dass die „hypermoderne Technik“ jetzt auch in der Provinz angekommen sei. Zur erfolgreichen Vermarktung des Produktes zielte man vor allem auf Geschäftskunden. So waren Gäste aus dem Wirtschaftsraum Kreis Wesel ebenso eingeladen wie Vertreter aus dem Umkreis Duisburgs. Das erste an das Weseler ISDN-System angebundene Unternehmen war die immer noch in Wesel ansässige Herco Kühltechnik GmbH.

Auch wenn sich das Bildtelefon nie durchgesetzt hat war doch die Einführung von ISDN ein wesentlicher Meilenstein bei der Digitalisierung der Kommunikationsinfrastruktur. Erst im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts verlor die ISDN-Technik rapide an Bedeutung. Die Bildtelefonie ist hingegen in den Zeiten von modernen Breitband-Internetzugängen und auch von stabilen Mobilfunkverbindungen als Kommunikationsmittel im Alltag auch vieler Weseler angekommen und unterstreicht damit nachdrücklich den kaum kalkulierbaren aber stetigen Wandel und Fortschritt von Technologie.

 

(Autor: Dr. Heiko Suhr)