Am 8. November 1950 wurde in Haus Schnelling von begeisterten Fliegern der Fliegerverein „Luftsportfreunde Wesel“ gegründet – zu einem Zeitpunkt, wo das Fliegen durch die Alliierten noch untersagt war. Der Verein besaß nichts, keine Flugzeuge, keinen Flugplatz und keine eigene Unterkunft.
Wenige Tage nach der Freigabe des Segelfliegens in Deutschland (28. April 1951) beschloss der Verein, einen Schulgleiter mit Bootsrumpf zu bauen. Mit bescheidenen Mitteln gingen die Vereinsmitglieder ans Werk. Sie investierten ihre Freizeit, um an zwei Bauabenden pro Woche den Gleiter herzustellen. Unterstützung erhielt der Verein dabei von Weseler Kaufleuten und Firmen, die Geld- und Sachleistungen gaben. Ende März 1953 war die SG-38 samt Transportwagen fertiggestellt. Am 5. April, Ostersonntag, wurde sie in einer Feierstunde – nach Absprache mit Stadtdirektor Dr. Karl Heinz Reuber – vor dem Rathaus präsentiert und getauft. Es erschienen zahlreiche geladene Gäste und etwa tausend Schaulustige. Das Rathaus war mit Fahnen geschmückt. Eine Blaskapelle spielte Blankenburg-Märsche, die der Marschkönig höchst selbst dirigierte. Über die städtische Lautsprecheranlage hielten der Vorsitzende der Luftsportfreunde, Gerhard Kostrzewa, und anschließend Bürgermeister Helmut Berkel Ansprachen. Kostrzewa erzählte von den Anfängen und Zielen seines Vereins, sprach über die Leidenschaft des Fliegens und rief die Weseler Jugend auf, sich ebenfalls dem Luftsport zu widmen.
Bürgermeister Berkel machte in seiner Rede deutlich, dass die Stadt eine solche Veranstaltung bewusst gesucht hat, um eine zweite, neue Phase des Wiederaufbaus anzukündigen. Nachdem bisher alle Kraft dem Wohnungsbau und öffentlichen Gebäuden gegolten hatte, konnte und wollte die Stadt nun auch andere Bereiche ins Auge fassen, so auch den Bau von Sportanlagen mit dem Nahziel Lippestadion und dem Fernziel Segelflugplatz. Dann schritt er zur Tat und taufte den Gleiter mit einem Sektglas und den Worten „allzeit gut Flug der Vesalia“ auf den Namen „Vesalia“.
In geheimer Absprache mit den Luftsportfreunden erschien nun der holländische Flieger Bernd Jansen in einer Piper am Himmel, kreiste über den Festgästen, warf einen Blumengruß, selbstverständlich Tulpen, ab, der in der Korbmacherstraße niederging und unterhielt sie mit Flugkunststücken. Danach landete er auf einer Weide des Römerward und wurde mit einem dort wartenden Auto zur Veranstaltung chauffiert.
Nach dem Ende des Festakts bot sich 14 Weselern die Möglichkeit eines jeweils 15-minütigen Rundflugs über Wesel in der niederländischen Piper. Erster Fluggast war der Stadtdirektor, der sich endlich auch aus der Luft ein Bild von seiner Stadt machen konnte.
In Wesel gab es damals noch keinen Flugplatz. Im März 1953 war zwar für ein Segelfluggelände „Wesel-Römerward“ ein Antrag gestellt worden, bis zur Genehmigung und der Aufnahme des Flugverkehrs sollten jedoch noch gut zwei Jahre vergehen. So musste der Jungfernflug des Gleiters in den hinter Haltern gelegenen Borkenbergen stattfinden. Vier Wochen nach der Taufe, am 3. Mai 1953, durfte, nachdem ein Prüfer das Fluggerät getestet hatte, Werkstattleiter Ernst Vilvock, der sich um den Bau des Gleiters besonders verdient gemacht hatte, als erster an den Steuerknüppel. Die „Vesalia“ absolvierte an diesem Tag bei 15 bereitstehenden Piloten des Vereins 40 Starts.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)