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Stichtag: 04. Dezember 1922 - Geburt des Karikaturisten Walter Flinthoff

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Dass Eva Brinkman (1896–1977) zu den bedeutendsten Kunstschaffenden Wesels des 20. Jahrhunderts gehört, ist gemeinhin bekannt. Weniger offensichtlich ist hingegen, dass in ihrem Wohnhaus auch die Wiege eines der bedeutendsten Gebrauchsgrafiker und Karikaturisten des Niederrheins dieser Zeit gestanden hat. Am 4. Dezember 1922 kam Walter Flinterhoff als drittes von sechs Kindern eines Handlungsgehilfen und späteren Kaufmanns in Wesel zur Welt und wuchs in der Sandstraße 42 im Wohnhaus Brinkmans auf. Seine Eltern zogen aber um 1927 bereits nach Kleve um, wo auch Walter heimisch wurde und stets seinen Lebensmittelpunkt behalten sollte.

Ende der 1930er Jahre begann Walter Flinterhoff eine Ausbildung als Schaufensterdekorateur beim Kaufhof in Kleve, merkte aber schnell, dass er seine Talente damit nicht ausreizen konnte. 1942 begann er bei Professor Peter Bertlings (1885–1982) ein Studium an der Krefelder Werkkunstschule – mittlerweile Teil der Hochschule Düsseldorf –, das er aber schon 1943 abbrechen musste, da er zur Handelsmarine eingezogen wurde. Das Kriegsende erlebte er in einem Internierungslager in Laboe.

Kurzfristig Teil einer Künstlergruppe in Oldenburg, kehrte Flinterhoff an den Niederrhein zurück und nahm sein Studium in Krefeld 1946 wieder auf. Aus finanziellen Gründen brach er dieses Studium nach einem Semester endgültig ab und begann eine Tätigkeit als Gebrauchsgrafiker. Eine seiner ersten Auftragsarbeiten dürfte das markante Logo des Klever Baustoffhandels von Karl Sack gewesen sein. Nebenher war er aber immer auch als Maler und Zeichner künstlerisch tätig und war ab 1967 Mitglied des Klever Künstlerbundes.

Flinterhoff machte sich schließlich als Plakat- und Reklamemaler selbständig. Werbeblätter, Signets, Firmenlogos, Schallplattenhüllen, Münzen, Buchtitel und selbst Karnevalsorden gehörten zu seinen Werken. Er schuf u.a. 1954 für die Stadt Kleve ein Plakat zum Rosenmontagszug und 1983 für den Verkehrsverein Kranenburg einen Gemeindeplan. 1972 fertigte er für die Arbeitsgemeinschaft Rhein-Maas eine Bildkarte „Land an Rhein und Maas“. In Wesel war er u.a. verantwortlich für das Layout der im Wahlkampf 1974 herausgegebenen Broschüre „Wesel – unsere Stadt“ sowie für eine Festschrift zum 125-jährigen Jubiläum des Marien-Hospitals 1983. Für seine Arbeiten ist er mehrfach ausgezeichnet worden, u.a. in Toronto für einen Plakatentwurf der IHK Krefeld mit einem Silberteller.

Ab 1966 begleitete Walter Flinterhoff als Grafiker und Karikaturist die Lokalausgaben der Rheinischen Post in Kleve und Wesel. Zunächst nur in seiner Heimat Kleve tätig, empfahl ihn der dortige Redakteur auch dem Weseler Kollegen. Anfangs steuerte „Flint“ fünf Zeichnungen für eine wöchentliche Bilderleiste beider Lokalausgaben bei. Bald darauf sollte er – jeweils wöchentlich am Samstag –  die originellste oder lokal bedeutendste Nachricht mit seinem spitzen Zeichenstift und einem auf den Punkt gebrachten Vers – ein wenig an Wilhelm Busch erinnernd – veröffentlichen. Dafür fand Flinterhoff seinen eigenen Stil, der von viel Empathie und Wärme, aber auch von Humor und einer sehr ästhetischen, oft stark reduzierten Darstellungsweise gekennzeichnet war. Er formulierte durchaus prägnant und spöttisch, aber nie beleidigend und eher mit herzlicher Ironie. Als Karikaturist hat Flinterhoff sich übrigens selber nie gesehen.

Die interessantesten Weseler Karikaturen aus der bis dahin 35-jährigen Tätigkeit erschienen als Buchausgabe unter dem Titel „Flints (W)Eseleien“ im Jahr 2001. Der Untertitel „Weseler Alltagsgeschichten aus drei Jahrzehnten“ ist viel zu bescheiden, da das Werk durchaus als pointierte Weseler Stadtgeschichte von großem Wert aufzufassen ist. Darin kommentiert Flinterhoff mit lyrischer Sensibilität – so ein Kunstkritiker – auch den Abriss des Weseler Rathauses 1971, das zugunsten des Kaufhofes weichen musste. Dem beteiligten Abrissunternehmen sowie dem damaligen Stadtdirektor widmete der Karikaturist die Zeilen „Zum Kaufhof sagte Landers: / Wenn man mich nur gewähren lässt / dann schleif ich dieses Reuber-Nest / so gut, wie niemand anders.“ Die notwendige Reparatur der Weseler Rheinbrücke kommentierte „Flint“ im Oktober 1985.

Auch die Eröffnung des Weseler Preußen-Museums 1998 ließ Flinterhoff nicht unkommentiert. Neben einer trefflichen Darstellung des Leiters Dr. Veit Veltzke dichtete er: „Er reitet ruhig seine Bahn, / Veit Veltzke auf dem Stecken. / Den Preußen ist er zugetan. / Schon über lange Strecken.“

Walter Flinterhoff starb – 2011 hatte er Pinsel und Stift aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt – am 19. November 2013 und damit wenige Tage vor seinem 91. Geburtstag. Er hat nicht nur die Klever und Weseler Geschichte künstlerisch und in deutlichen, aber nie verletzenden Worten begleitet, er hat mit seinem Werk auch selber Geschichte geschrieben. Sein Nachlass gehört – schon 2003 vereinbart – der Historischen Vereinigung Wesel e.V. und ist als Dauerleihgabe im Weseler Stadtarchiv für jeden Interessierten zugänglich. Seine Werke befinden sich vor allem im Museum Kurhaus Kleve.

 

(Autor: Dr. Heiko Suhr)