In Wesel gab es seit dem Spätmittelalter zwei Pfarrkirchen, St. Willibrord sowie St. Nikolaus und St. Antonius (Mathenakirche). Diese beiden wurden mit der Einführung der Reformation zu Ostern 1540 erst lutherisch und im Laufe der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts reformiert. Die Reformation und die sich daran anschließenden Prozesse wurden nicht von der gesamten Bevölkerung getragen. Die Mehrheit war am Ende des 16. Jahrhunderts reformiert, eine Minderheit lutherisch oder katholisch. Die Lutheraner gründeten eine eigene Gemeinde und die Katholiken wurden pastoral von den noch in Wesel bestehenden Klöstern, den Dominikanern und den Fraterherren betreut.
Die beiden Klöster führten seit den 1620er Jahren auch Kirchenbücher, lagen aber wegen der Pfarrrechte auch mit den reformierten Pfarrgemeinden im Streit, da diese die ihnen zukommenden Stolgebühren insbesondere bei Beerdigungen einforderten. So finden sich bis weit in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein in den Sterbebüchern der beiden reformierten Gemeinden sowohl katholische als auch lutherische Sterbefälle, obgleich in deren Gemeinden selbstredend Sterbebücher geführt wurden. Einen offiziellen Verzicht auf die Erhebung der Stolgebühren gab es erst im August 1810.
Im 18. Jahrhundert stieg aufgrund der Zuwanderung aus dem klevischen und westfälischen Umland die Zahl der Katholiken erheblich an. Es kam zu seelsorgerischen Kompetenzstreitigkeiten zwischen beiden Klöstern, die im Jahre 1734 vom Kölner Erzbischof geregelt wurden. Für die 2.000 Kommunikanten in Wesel gab es nun klare Verhältnisse. Den Rektoren beider Häuser übertrug der Erzbischof die Verantwortung für die Seelsorge in ihren Bezirken. Die übrigen Hausinsassen waren nunmehr Hilfsgeistliche. Die Pfarrbezirke, die nun St. Mariä Himmelfahrt und St. Martini hießen, wurden genau umschrieben. Es gab im Prinzip einen südlichen und einen nördlichen Bezirk, deren Trennlinie längs durch die Stadt vom Fischtor über den Großen Markt, Brückstraße, Viehtor, Hohe Straße bis zum Berliner Tor lief. St. Martini erhielt Lackhausen und Flüren, die andere Pfarre Obrighoven. Die Aufteilung der Feldmark wird in der damaligen Urkunde nicht erwähnt; hier trennte ab dem Berliner Tor die Schermbecker Landstraße (heute Friedenstraße/Schermbecker Landstraße) die beiden Bezirke. Die reformierten Pfarrgemeinden erkannten die vom Erzbistum Köln eingerichteten katholischen Pfarren nicht an und pochten weiterhin auf ihre alten Rechte, die ihnen von der Regierung in Kleve 1785 auch bestätigt wurden.
Die beiden Klöster, die 1808, als Wesel an das Kaiserreich Frankreich fiel, säkularisiert wurden, bemühten sich seitdem um die Erhebung ihrer Klosterkirchen zu regulären Pfarrkirchen. Kirchenrechtlich gehörten sie nun zum Bistum Aachen, das am 10. August 1809 Wesel offiziell einverleibte und die gewünschte Regelung für das katholische Wesel beim Kaiser vorantrieb.
Am 3. Oktober 1810 wandelte Kaiser Napoleon die beiden vormaligen Klosterkirchen in Pfarrkirchen um. Die Dominikanerkirche St. Mariä Himmelfahrt wurde - aus rein finanziellen Erwägungen - zur Hauptpfarre, die Fraterherrenkirche St. Martini zur Nebenpfarre erhoben. Die Einteilung der Pfarrbezirke wurde gegenüber der Festlegung von 1734 nicht verändert und hatte bis weit ins 20. Jahrhundert hin Bestand. Die beiden Pfarrer wurden aus der Staatskasse bezahlt, wobei der von St. Mariä Himmelfahrt ein Jahresgehalt von 1.500 Francs bekam, der andere jedoch als Nebenpfarrer nur ein Drittel davon.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)