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Stichtag: 03. Januar 1926 - Hochwasser

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Ende November 1925 gab auch in den tieferen Lagen des Rheinlandes eine geschlossene Schneedecke. Ab der zweiten Dezemberwoche taute bis zur Monatsmitte der Schnee auch in den höheren Lagen des Mittelgebirges ab. Danach schneite es dort wieder, während es ab dem 17. Dezember im nördlichen Rheinland wieder taute. Die Temperaturen stiegen durch warme südliche Winde stark an und es ereigneten sich im gesamten Einzugsgebiet starke Regenfälle, anfangs nur im Süden, ab Ende Dezember dann auch am Niederrhein. Stärkste Niederschläge gab es am 30./31. Dezember 1925 im Rheinischen Schiefergebirge. Die Nebenflüsse vom Ober- bis zum Niederrhein führten starke, teilweise sogar sehr starke Hochwasser, die das Hochwasser des Rheines verstärkten. Mosel, Wupper, Ruhr und Lippe führten sehr starke Hochwasser, die mit ihrem Flutscheitel zu unterschiedlichen Zeiten auf den Rhein trafen: Wupper und Ruhr am 31. Dezember 1925, am nächsten Morgen die Mosel und am 3. Januar 1926 die Lippe.

Die nördlich der Mosel befindlichen Pegel verzeichneten höchste Durchflüsse an Wassermassen. Dieses historisch bedeutsame Rheinhochwasser - es gab in Wesel zuletzt im Jahre 1855 mit 8,975 Metern einen höheren Wasserstand - ging für die Stadt alles in allem noch glimpflich ab, da die Flutscheitel des Rheines und der Lippe zwar am gleichen Tag Wesel erreichten, der erstere früh und der der Lippe aber erst später.

Angesichts der nahenden Fluten und einem Wasserstand von 7,02 Metern wurden am 31. Dezember in der Rheinvorstadt mehrere Wohnungen geräumt, Pferde in die Stallungen der Artilleriekasernen untergestellt und einen Meter hohe Laufstege aufgestellt. Die Rheinbrücke konnte zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr über die Venloer Straße, sondern nur noch über die Zitadelle angefahren werden. Am Abend des 2. Januar 1926 wurde Wesels tiefer gelegener Westen überflutet. Über die Kanalisation drang das Wasser in die Niederstraße, den Entenmarkt und die Rheinstraße und stieg von dort in die nach Osten abgehenden Querstraßen (Krumpholz-, Johannis-, Pollmann-, Kramper-, Rheintorstraße). Der Willibrordiplatz stand ebenso unter Wasser wie Hansa- und Grafenring oder die Straße Am Halben Mond und das gesamte Hafengebiet. Der Verkehr konnte in den betroffenen Straßen nur mit Kähnen aufrechterhalten werden. Grundwasser flutete den Keller des Marienhospitals. An der Reeser Landstraße standen die Gleise der Kleinbahn unter Wasser. Die Häuser der Rheinvorstadt waren teilweise bis zum Obergeschoss geflutet. Teilweise fiel die Stromversorgung aus. Wasser drang sogar in die Trinkwasserversorgung ein, jedoch ohne diese zu gefährden. Die Kläranlage arbeitete noch, weil der äußere Rand des Sammelbeckens künstlich erhöht worden war, und mit voller Leistung gepumpt wurde. Die Zitadelle vermittelte den Eindruck einer Wasserburg, da die rundherum noch vorhandenen Gräben voll Wasser liefen. Über die Schillwiese drang das Lippehochwasser von Osten her ein und überschwemmte den Schützengarten (heute Niederrheinhalle).

Ein Deichbruch drohte nicht. Nur bei Mehr konnte mit Erfolg ein Bruch verhindert werden. Bislich stand wegen des Grundwasseranstiegs ebenso unter Wasser wie Büderich und Ginderich sowie die Bahnhöfe der Boxteler Bahn von Büderich bis Birten.

Am 3. Januar, morgens um zwei Uhr, stieg das Hochwasser, das bei 8,31 Metern lag, nicht mehr an. Ab 14 Uhr sank es stündlich um einen Zentimeter. Am folgenden Tag stieg es ab elf Uhr in der Niederstraße und am Halben Mond wieder um zehn Zentimeter an und sank ab dem Nachmittag schnell.

Es dauerte bis zu zwölf Tage, bis das mittlere Hochwasser (5,84 Meter) wieder erreicht war. In Wesel war dies bereits am Mittag des 8. Januar der Fall. Schon am Tag zuvor, bei einem Wasserstand von 6,71 Metern, wurde der Schiffsverkehr wieder aufgenommen. Auch die Kleinbahn fuhr wieder. An der neu angelegten Kreuzung Schillstraße/Zitadelle und an der Lippebrücke kam es bereits am 6. Januar zu massiven Erdrutschen.

Die Hochwasserkatastrophe war nicht nur auf das Einzugsgebiet des Rheines beschränkt. Auch andernorts, etwa in Thüringen, Nordfrankreich und Belgien sowie England gab es extreme Hochwässer, die im Gegensatz zum Rheinland auch Todesopfer forderte. Besonders betroffen waren die Niederlande, da sowohl dieMaas als auch der Rhein Höchststände aufwiesen.

Die Schadenbilanz für Wesel verzeichnete nur Sachschäden. Vom Hochwasser waren 335 Wohnhäuser und 21 gewerbliche Anlagen betroffen. Es wurde ein Gesamtschaden von 371.292 Mark festgestellt, wobei der gewerbliche Schaden allein mit 230.640 Mark zu Buche schlug. Unter die öffentlichen Schäden fiel auch die städtische Badeanstalt, die aufgrund des angerichteten Schadens weiter flussabwärts zum Wardsmannshaus hin verlegt werden musste.

 

(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)