Im Dezember 1952 wurde in der Reitzensteinkaserne ein Hauptdurchgangslager für Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone eingerichtet. Es sollte Flüchtlinge aus den Notaufnahmelagern West-Berlin (Marienfelde), Uelzen-Bohldamm und Gießen aufnehmen. Das auf 400 Personen ausgelegte Lager war schon bald zu klein und auch die zahlreichen externen Notunterkünfte reichten nicht aus.
Das Land Nordrhein-Westfalen plante deshalb auf dem dem Fiskus gehörenden Teil der Esplanade westlich der Kreuzstraße eine große Flüchtlingssiedlung. Hier entstanden vor allem an der neu angelegten Gerhart-Hauptmann-Straße insgesamt 160 Wohnungen in 14 zwei- und 16 dreigeschossigen Häusern sowie ein achtgeschossiges Hochhaus, in dem die Verwaltung untergebracht war. Es wurden keine Baracken gebaut, sondern, auch auf Drängen der Stadt, Häuser, die so konzipiert waren, dass deren Räume in späteren Zeiten leicht in größere Wohnungen umgestaltet werden und dem allgemeinen Wohnungsmarkt zugeführt werden konnten; zu je drei Räumen, die später eine Wohnung bildeten, gehörte eine Gemeinschaftsküche. Die unmittelbar am Stadtzentrum gelegene Siedlung konnte bis zu 1.700 Flüchtlinge und Vertriebene (Spätaussiedler) aufnehmen.
Zum Durchgangslager gehörten ein großzügiger, ebenfalls im März 1959 bezogener Kindergarten sowie eine evangelische Volksschule, die Rheinbabenschule, für die ein neuer Schulbezirk geschaffen wurde. Die Schule, deren erster Bauabschnitt mit sechs Klassenräumen am 26. Oktober 1959 seiner Bestimmung übergeben werden konnte, besuchten sowohl Einheimische wie Flüchtlingskinder
Die Belegung der Flüchtlingseinrichtung schwankte je nach politischer Situation in der DDR bzw. in Polen erheblich. So wurden die 1956 beginnenden Spätaussiedlertransporte Ende 1958 von polnischer Seite eingestellt, und die Beseitigung des selbständigen Bauerntums führte ab dem Frühjahr 1960 wiederum zu einem starken Anstieg der Flüchtlingszahlen aus der DDR. Die Lagerbewohner verweilten teilweise nur drei Wochen im Lager und wurden dann auf den Regierungsbezirk Düsseldorf bzw. einen Teil des des Münsterlandes verteilt.
Ab dem 1. Januar 1960 änderte sich die Verteilung; das Hauptdurchgangslager Wesel und die ihm unterstellten Lager Waldbröl und Wickrath entließen die Insassen nur noch in den Landesteil Nordrhein, also die Regierungsbezirke Aachen, Düsseldorf und Köln. Für Westfalen war nun Unna-Massen zuständig.
Nach dem Bau der Mauer 1961 wurde der Zustrom der Flüchtlinge geringer, so dass Mitte 1963 das Lager geschlossen wurde. Die Stadt durfte 50 Wohnungen mietweise übernehmen. Den Rest der Anlage bezog Ende 1963 die Landesausbildungsstätte für den Luftschutzhilfsdienst NRW. Nach den letzten Lehrgängen im Jahre 1989 wurden im Hochhaus infolge des Mauerfalls von Oktober 1989 bis März 1990 wieder Flüchtlinge untergebracht. Endgültig geschlossen wurde diese nunmehr Katastrophenschutzschule NRW genannte Einrichtung im Dezember 1995. Das Technische Hilfswerk Wesel bezog 1996 die Räumlichkeiten für ein Jahr. Das Hochhaus sowie der zu Lehrzwecken umgebaute Kindergarten standen seitdem leer.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)