Handel und Verkehr waren im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit die beiden wesentlichen Stützen der Weseler Wirtschaft. In der niederrheinischen Warendrehscheibe waren zahlreiche Schiffer und Fuhrunternehmen beheimatet, die vom Transit- und Umschlaghandel wie auch von den Aufträgen der Weseler Kaufmannschaft wie auch dem Eigenhandel Geschäften gut leben konnten. Aufgrund seiner Lage an Rhein und Lippe und an wichtigen Handelsstraßen sowie in seiner Funktion als Rheinhafen für Westfalen, in dem Waren für oder aus Westfalen anlandeten und auf Schiffe oder Karren geladen wurden, war Wesel die nach dem alles überragenden Köln die bedeutendste Handelsmetropole am Niederrhein.
In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bestimmten die politischen wie auch militärischen Machtkonstellationen den Verkehr auf dem Rhein. Der Achtzigjährige Krieg zwischen Spanien und den niederländischen Generalstaaten (1568–1648) war eine ständige Bedrohung. Die beiden Kontrahenten mischten ab 1609 auch im Jülich-klevischen Erfolgestreit mit. Die Spanier unterstützten den katholischen Prätendenten, Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, und die Niederländer den reformierten Kurfürsten von Brandenburg. Beide besetzten niederrheinische Städte und behinderten den Warenverkehr auf dem Rhein durch besondere Zölle. Aufgrund des abnehmenden Handelsvolumens nahm die Konkurrenz der Schiffer der rheinischen Hafenstädte untereinander zu. Es kam zur Bildung kommunaler Schiffergilden, die die einheimischen Schiffer vor ortsfremden Konkurrenten schützen sollten. Für die Weseler Schiffer etwa bedeutete die Gründung der Emmericher Schiffergilde im Jahre 1627 den Ausschluss von lukrativen Angeboten.
Nach der Vertreibung der spanischen Besatzung Wesels durch den bekannten niederländischen Überfall vom 19. August 1629 war für die Weseler Schiffer der Handelsweg in die Niederlande wieder offen. Diese wandten sich im Februar 1630 an den Weseler Magistrat und baten um die Errichtung einer Schiffergilde, deren Mitglieder Weseler Bürger waren und fremden Schiffern vorgezogen werden sollten und bevorzugt vom Handels- und Reiseverkehr profitieren sollten. Bereits am 2. April 1630 legten die Schiffer dem Magistrat eine Ordnung vor, die dieser in allen wesentlichen Punkten genehmigte. Diese Ordnung betraf die Schifffahrt sowohl auf dem Rhein als auch auf der Lippe, auf der ausschließlich Weseler Schiffer zum Zuge kommen sollte.
Innerhalb der Gilde gab es zwei Gruppen, große und kleine Ordnung genannt. Vermutlich gab die Größe des Fahrzeugs den Ausschlag zur Gruppenzugehörigkeit. Für die attraktive Fahrt auf dem Rhein abwärts in die Niederlande bis nach Amsterdam wurde eine Reihen- oder Börtschifffahrt vorgeschrieben, die für den Personen- wie auch Frachtverkehr gleichermaßen galt. Bei der Börtschifffahrt wurde eine Strecke regelmäßig zu festgelegten Zeiten befahren. Wer von den Gildemitgliedern an welchem Tag die große Bört fahren musste – kurz gesagt: an der Reihe war, wurde vorher festgelegt. Daneben gab es die schon früher bestehende Marktschifffahrt, die sogenannte kleine Bört, zu den Markttagen niederrheinischer Städte. Börtfahrten gab es nicht nur nach Amsterdam, sondern zwischen 1648 und 1697 nach Leiden bzw. von 1629 bis 1738 nach Nimwegen. Marktschiffe fuhren nach etwa Rheinberg, Xanten oder Emmerich. Börten rheinaufwärts waren jeweils nur kurzlebige Einrichtungen, die sich anscheinend nicht trugen. Fahrten nach Köln gab es noch im frühen 18. Jahrhundert, allerdings nicht täglich. Ein Börtschiffer konnte, wenn er nicht absehbar an der Reihe war, fremde Transportaufträge annehmen.
Die Weseler Schiffergilde bestand wohl bis ins frühe 19. Jahrhundert und dürfte nach 1806 zusammen mit den übrigen Zünften aufgehoben worden sein.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)