Die alten und neuen Gebiete am Rhein, die 1814/15 mit dem Wiener Kongress Preußen zugesprochen bekam, erhielten nach einer kurzen Übergangsphase im Jahre 1816 mit der Einrichtung von Regierungsbezirken und Landkreisen eine neue Verwaltungsstruktur. Am 23. April wurde auf dem rechten Rheinufer der Kreis Rees errichtet. Die neue Kreisstadt Rees galt eigentlich als ungeeigneter Kreissitz, da die Stadt erheblich kleiner als Emmerich oder Wesel war. Bei der Einrichtung ging es eigentlich nur um Rees und Emmerich, da Wesel einen eigenen Kreis bilden sollte. Der neue Kreis wurde nach einer ersten Verwaltungsreform 1822 um die Bürgermeisterei Schermbeck erweitert.
Der zweite Reeser Landrat, Friedrich Heinrich von Bernuth, der von 1818 bis 1859 amtierte, bemühte sich seit 1837, das Landratsamt von Rees nach Wesel zu verlegen. Von Bernuth argumentierte in seinem Antrag an die Regierung mit der Erweiterung des Kreises östlich von Wesel, mit zahlreichen wichtigen Kreiseinrichtungen (Kreiskasse, Kreisphysikus, Kreischirurg, Wegebauinspektor), die gerade in Wesel und nicht in Rees angesiedelt waren sowie mit der Schulsituation in Rees, die für die Ausbildung seiner zahlreichen Kinder nicht genügte. Obwohl auch der Kreistag - bis auf Rees - den Antrag unterstütze, lehnte der preußische König ihn ab. Im Jahre 1841, inzwischen regierte mit Friedrich Wilhelm IV. ein neuer König, wurde dem Antrag stattgegeben, falls die Kreisstände zustimmten. Sie taten dies, beschränkten die Verlegung allerdings auf die Amtszeit von Bernuths. Am 20. Mai 1842 verfügte der König die Verlegung, die am 1. Dezember 1842 vollzogen wurde. Der Landrat zog am 29. November nach Wesel und nahm zwei Tage später seine Geschäfte auf. Seine Ankunft in Wesel wurde im Intelligenzanzeiger für Wesel und die benachbarten Städte enthusiastisch gefeiert:
Den langersehnten Wunsch unseren vielgeliebten und verehrten Landrath Herrn von Bernuth in unserer Mitte zu haben ist endlich in Erfüllung gegangen, da derselbe heute sich mit seiner Familie hier häuslich niedergelassen hat. Wir rufen ihm aus dem Innern unseres Herzens Willkommen zu, und zweifeln nicht daß er sich mit seiner werthen Familie hier heimisch fühlen wird, da alle Herzen ihm mit inniger Liebe zugetan und alle Einwohner stolz darauf sind, ihn in unserer Mitte zu besitzen.
Der Landrat bezog in der Ritterstraße ein stattliches Haus - das ehemalige Hauptgebäude des Weseler Augustinerklosters -, in dem auch das Landratsamt untergebracht war. Seine Söhne - von Bernuth hinterließ deren acht sowie zwei Töchter - konnten endlich das Gymnasium besuchen.
Nach Rees kam der Landrat verordnungsgemäß nur noch einmal im Monat. An jedem ersten Donnerstag im Monat, an dem auch der Kornmarkt stattfand, hielt von Bernuth von 9 bis 12 Uhr Sitzung im Gasthaus des Herrn Nöthen. Dort konnten dann die Interessen der Stadt Rees wie auch der umliegenden Ort verhandelt werden.
Nach dem Tode von Bernuths am 7. Februar 1859 wurde erneut über den Kreissitz abgestimmt. Die Entscheidung fiel knapp zugunsten Wesels aus, so dass die Stadt 1861 als Kreisstadt bestätigt wurde. Die Bezeichnung des Kreises hingegen blieb, nach einem Versuch im Jahre 1874, ihn in „Kreis Wesel" umzubenennen, bis zu seiner Auflösung 1975 bestehen.
(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)