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Tag des offenen Denkmals - Virtueller Rundgang "Berliner Tor"

Der Tag des offenen Denkmals wird seit 1993 bundesweit von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz veranstaltet. Seit den Anfängen nimmt die Stadt Wesel regelmäßig teil.  Der Denkmaltag bietet den Besuchern „Geschichte zum Anfassen“. In fachkundigen Führungen berichten u. a. Denkmalpfleger und Historiker über Aufgaben und Tätigkeiten der Denkmalpflege. Dabei kommt Wissen zu Tage, das ansonsten oft verborgen bleibt. 

Der Tag des offenen Denkmals soll die Öffentlichkeit für die Bedeutung des kulturellen Erbes sensibilisieren und Interesse für die Belange der Denkmalpflege wecken. Er kommt durch die Initiative vieler Institutionen, Kreise, Städte, Gemeinden, Verbände, Vereine, privater Denkmaleigentümer und Bürgerinitiativen zustande.

Corona-Pandemie und die Folgen für den Tag des offenen Denkmals

Doch in diesem Jahr ist vieles anders: Führungen und Rundgänge sind aufgrund der Corona-Pandemie nur schwer möglich. Damit dennoch die deutsche Denkmallandschaft erlebbar gemacht werden kann, hat die Stiftung dazu aufgerufen, Denkmäler digital aufzubereiten und der Öffentlichkeit vorzustellen.

Die Stadt Wesel ist diesem Aufruf gerne gefolgt und hat zusammen mit der SOULUTION GmbH und dem Deichdorfmuseum Bislich drei innovative digitale Rundgänge produziert; getreu dem diesjährigen Motto des Tags des offenen Denkmals „Chance Denkmal: Erinnern. Erhalten. Neu Denken“. Mit dem Berliner Tor nimmt sie an dem Tag des offenen Denkmals teil.

Motto 2020: „Chance Denk-mal: Erinnern. Erhalten. Neu Denken“

Jedes Jahr wechselt das Motto des Tags des offenen Denkmals. Dadurch wird Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet.

Im Mittelpunkt steht in diesem Jahr die Frage, inwieweit Nachhaltigkeit und Denkmalpflege zusammenpassen. Dabei sollen die Teilnehmer/innen für sich selbst Fragen, wie zum Beispiel „Ist Denkmalpflege per se nachhaltig?“, beantworten.
Mit der Corona-Krise hat das Motto unerwartet aus einer anderen Perspektive an Gewicht gewonnen: Die Stadt Wesel möchte mit den Rundgängen an ihre Denkmäler erinnern und diese im digitalen Zeitalter erhalten. Der Ansatz, dem/der Betrachter/in nicht eine neue Perspektive auf das Denkmal zu geben, sondern gleich alle Blickwinkel aus 360° zu ermöglichen und das zu jeder Zeit und von jedem Ort auf dieser Welt aus, ist neu gedacht. 

Denkmäler sind vor allem wegen der Verwendung regionaler Baustoffe nachhaltig; definitiv nachhaltig sind auch die virtuellen Rundgänge.

Virtueller Rundgang

Zum Tag des offenen Denkmals wird das Berliner Tor in digitaler Form als Denkmal präsentiert. Bürger/innen erfahren interessante Details zum Gebäude. Dabei lernen sie auch die Geschichte des Denkmals kennen. Neben den Bildern und Informationen ist der virtuelle „Eintritt“ in das Innere des Gebäudes das Highlight.

Der/die Betrachter/in kann sich frei durch das Gebäude bewegen und sich jede Ecke in Ruhe anschauen. Dabei können bestimmte Fixpunkte angesteuert werden. Hinter ihnen verbergen sich weitere Informationen.

Derzeit wird das Berliner Tor aufwendig saniert. Zwar sehen die Besucher/innen „nur“ das „nackte Denkmal“, doch bekommen sie so einen Blick hinter die Kulissen. Die Idee ist, nach der Sanierung erneut die Innenräume aufzunehmen, um so einen Vorher-Nachher-Vergleich zu ermöglichen.

Die anderen beiden Rundgänge (die Schill-Kasematte und die Schmiede Kock des Deichdorfmuseums Bislich) werden aktuell bearbeitet. Sie sollen in den kommenden Monaten ebenfalls auf der Internetseite zur Verfügung gestellt werden.

Die digitalen „Spaziergänge“ durch die historischen Gebäude sollen auch dazu anregen, sich selbst ein Bild vor Ort machen zu wollen.

Dank der innovativen Technik können die Betrachter/innen mit Hilfe digitaler Endgeräte durch das Gebäude laufen; auf Distanz und doch „aus nächster Nähe“.

Geschichte und Sanierung des Berliner Tors

Ministerin Scharrenbach überreicht Heimat-Zeugnis an Bürgermeisterin Ulrike Westkamp.
Das Foto wurde im Dezember 2019 aufgenommen. Ministerin Ina Scharrenbach überreichte Bürgermeisterin Ulrike Westkamp das Heimat-Zeugnis „Zukünftige Nutzung des Berliner Tors“. Dadurch erhält die Stadt Wesel über 213.000 Euro Fördermittel für die Sanierung des historischen Gebäudes. (v. l. Heike Kemper, Kulturbeauftragte der Stadt Wesel, Dr. Barbara Rinn-Kupka, wiss. Mitarbeiterin des Städt. Museums, Ludwig Maritzen, Sekretär der Hanse-Gilde Wesel e.V., Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, Ulrike Westkamp, Bürgermeisterin der Stadt Wesel, Rainer Benien, Dezernent der Stadt Wesel und Annabelle Brandes, Dezernentin der Stadt Wesel)

1680 eroberten die Preußen Wesel zurück. Zuvor regierten abwechselnd die Spanier (1614 – 1629), Niederländer (1629 – 1672) sowie Franzosen (1672 – 1680) die Hansestadt am Rhein.

Mit der Eroberung durch Preußen ließ Kurfürst Friedrich Wilhelm I. Wesel weiter als Festung ausbauen.

Zwischen 1705 und 1728 war Jean de Bodt in unterschiedlichen Funktionen am Bau der Festung beteiligt. Zuvor arbeitete er in Paris und hatte sich für das Berliner Tor von bedeutenden, französischen Baumeistern seiner Zeit inspirieren lassen. Zwischen 1718 und 1722 entstand nach seinen Plänen das Berliner Tor.

Den damaligen Figurenschmuck schuf ein Bildhauer, der für den französischen König Ludwig XIV. im Garten von Schloss Versailles gearbeitet hatte.

1894/95 wurde das Gebäude aufwendig restauriert. Dabei ging ein Großteil des Figuren- und Ornamentschmuckes leider verloren.

Die Stadtseite steht heute nur noch als überdachter Mauerkubus. Auf der Außenseite wurden die Figuren, Reliefs und die Abschlusstrophäe 1974 in beschädigtem und verwittertem Zustand konserviert.

Das Berliner Tor wurde 1982 unter Denkmalschutz gestellt. Die Bekrönung, ein von zwei Engeln flankiertes Wappen, musste 1996 wegen ihres maroden Zustandes ersetzt werden.

Im Frühjahr dieses Jahres zierte die kopflose Statue der römischen Göttin Minerva wochenlang das Berliner Tor. Der Kopf war beschädigt und drohte aufgrund eines starken Sturms herabzufallen. Die Feuerwehr nahm den Kopf der Statue sicherheitshalber ab. Inzwischen ist der Kopf von Fachleuten restauriert und wieder angebracht.

Die zukünftige Nutzung des unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks wurde bereits mehrfach thematisiert.  Im Ausschuss für Kultur und Stadtmarketing am 14.03.2019 wurde die Verwaltung aufgefordert, ein Gesamtkonzept zur stadtgeschichtlichen Präsentation rund um die Themen „Hanse und Handel“ mit der Hansegilde zu erarbeiten.

Der Ausschuss für Kultur und Stadtmarketing und der Rat haben im Juni 2019 unter Vorbehalt beschlossen, das Berliner Tor zu sanieren und öffentlich zu nutzen, wenn durch Fördermittel ein Teil der Kosten übernommen werden kann. Daher wurde ein Antrag auf Landesförderung aus dem Programm „Heimat-Zeugnis“ an die Bezirksregierung gestellt.

Die Gesamtkosten für den Umbau liegen bei 267.000 Euro.

Durch das Förderprogramm „Heimat-Zeugnis“ können bis zu 80 Prozent der Gesamtkosten gefördert werden.

Insgesamt erhält die Stadt Wesel für die Nutzungsänderung des Berliner Tors ca. 213.000 Euro vom Land NRW.

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, überreichte im Dezember 2019 persönlich den Förderbescheid an Bürgermeisterin Ulrike Westkamp in Wesel.

Das Berliner Tor - Gesamtansicht Richtung Bahnhof
Das Berliner Tor - Zeugnis der Stadtgeschichte

Das Berliner Tor - Als Wesel zu Preußen gehörte

Das Berliner Tor ist das einzig noch erhaltene Stadttor der ehemaligen Stadtbefestigung, das in brandenburgisch-preußischer Zeit durch König Friedrich Wilhelm I. 1718-1722 ursprünglich als Mittelstück einer zweiflügeligen Toranlage im Stil des preußischen Barocks errichtet wird. Es wird nach Plänen des bekannten barocken Architekten Jean de Bodt, dem damaligen Festungs- und preußischen Hofbaumeister erbaut. 1890-1895 werden der ursprünglich angrenzende Wall und die halbrunden, teilweise offenen Arkadenflügel der Toranlage abgebrochen und nur der Mittelbau mit dem Hauptdurchgang bleibt erhalten.

Berliner Tor
Quelle:Flaggschiff Film

Im Zweiten Weltkrieg wird der stadtseitige Teil des Berliner Tores stark zerstört und in vereinfachter Form wiederaufgebaut. Die Feldseite blieb mit Figurenschmuck, Inschrift und Bekrönung erhalten. 1984 wird der Platz um die Toranlage herum neu angelegt, dabei wird der Verlauf des früheren Walles zu beiden Seiten des Tores mit kleineren bepflanzten Anlagen angedeutet. Am Ende des 20. Jahrhunderts kommt es zu umfangreichen Restaurierungen.

Bei dem heute erhaltenen triumphtorartigen Torso des Berliner Tores handelt es sich um einen nahezu quadratischen Bau aus rotem Ziegelmauerwerk, der mit umfangreichem Skulpturenschmuck, Gesimsen, Sockeln und aufwendigen Zierelementen aus Baumberger Sandstein versehen ist. Die Feldseite des Tores stellt sich als klar gegliederter Architravbau mit Skulpturenprogramm dar. Über einem hohen Sandsteinsockel steigt das Ziegelmauerwerk in rustizierter Gestaltung nach oben. Auf beiden Seiten befinden sich vor der Fassade je zwei große toskanische Säulen, die sich über einem hohen Sockelquader erheben und mit einem Kapitell und Abakus abschließen.

Das Berliner Tor ist ein außerordentlich wichtiges und hochrangiges Beispiel der preußischen Festungs- und Ingenieurbaukunst, die als klar gegliederter Architravbau mit seiner strengen Linienführung, harmonischen Proportion und seiner umfangreichen und qualitätsvollen Schauarchitektur mit Skulpturenprogramm überzeugt. Die Darstellung der Götter Minerva und Herkules, die figürliche Umsetzung von Rhein und Lippe sowie das Skulpturenproramm der Trophäe symbolisiert die Verherrlichung der brandenburgisch-preußischen Geschichte. Das Berliner Tor ist damit mit seiner preußischen Interpretation des Barocks das kunsthistorisch anspruchsvollste Baudenkmal aus preußischer Zeit in Wesel. Dabei gestaltet es sich als ein exemplarisches Beispiel für die Situation des Triumphtores, das von der Idee der Ruhmeshalle durchdrungen wird, einer Planung, die im Barock gerne aufgegriffen, jedoch nur äußerst selten baulich umgesetzt wird. Es ist somit ein seltenes Zeugnis der inhaltlichen Bedeutung des triumphartigen preußischen Stadttores. Darüber hinaus prägt das Berliner Tor das Stadtbild in bedeutendem Umfang und ist ein wichtiges Zeugnis für die historische Entwicklung der Stadt Wesel.

Göttin Minerva
Göttin Minerva

Zwischen den Säulen steht je eine überlebensgroße Sandsteinfigur auf rechteckigem, sockelhohem Postament. Dabei handelt es sich links um die Göttin Minerva, die mit Gewand, Brustpanzer, Schild, geharnischtem Helm und Eule dargestellt ist. Ursprünglich hielt Minerva einen Speer in der Hand.

Halbgott Herkules
Halbgott Herkules

Auf der rechten Seite ist der Halbgott und Held Herkules mit herabgleitendem Löwenfell und nach oben geschwungener Keule zwischen den Säulen zu sehen. Die Keule ist im heutigen Zustand nur noch in Fragmenten erhalten.

Medaillon aus Sandstein
Medaillon aus Sandstein

Über der Minerva ist dem Mauerwerk ein großes, ovales Medaillon aus Sandstein als Flachrelief mit profilierter Rahmung und begleitenden, herabhängenden Laubgirlanden eingelassen. Seinen oberen Abschluss findet es in einer von Eichenlaub gerahmten Kartusche mit weiblichem Haupt. Das Medaillon zeigt den preußischen Adler, der zur Sonne fliegt und eine lateinische Inschrift in geschweiftem Schriftband „NON SOLI CEDIT“ (nicht einmal der Sonne weicht er – ein Bezug auf den Sonnenkönig Ludwig XIV).

Medaillon rechte Seite
Das rechte Medaillon

Das rechte Medaillon gleicht in seiner Gestaltung dem linken. Hier ist ein ruhender Löwe zwischen Eiche und Lorbeer dargestellt und die lateinische Inschrift „IN IPSA QUIETE TIMENDUS“ (man muss, selbst wenn er schläft, sich vor ihm fürchten) zu sehen.

Tordurchfahrt Berliner Tor
Rundbogen

Zwischen den Säulen befindet sich der Eingang zur Tordurchfahrt. Es handelt sich um einen hohen Rundbogen mit Kalotte. Das Wandfeld über der Durchfahrt zeigt ein männlich-weibliches Skulpturenpaar, das Lippe und Rhein darstellt. Beide sind einander zugewandt und von Lorbeerkränzen, Füllhorn, Hund, Wasserkrug, Ruder und Schilfpflanzen umgeben.

Inschrift

Die Ziegelmauerfassade und die Säulen werden von einem antikisierten Gebälk mit Architrav aus Sandstein bekrönt, welches in seiner fast kompletten Breite risalitartig nach vorne kragt. Darüber befindet sich ein Kranzgesims und es folgt eine Attikazone mit Reliefdarstellungen und einer Marmortafel mit lateinischer Inschrift:

URBIS ET ARCIS MUNIMENTA
A FRIDERICO WILHELMO ELECTORE BRANDENBURGICO SUSCEPTA
A FRIDERICO I. REGE BORUSSIAE AMPLIATA
FRIDERICUS WILHELMUS BORUSSIAE REX FRIDERICI I FILIUS FRIDERICI WILHELMI NEPOS
DIGNA REGIO NOMINE MUNIFICENTIA ABSOLVIT
ANNO MDCCXXII.

(Die vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm begonnenen und von Preußens König Friedrich I. erweiterten Befestigungswerke der Stadt und der Zitadelle hat der preußische König Friedrich Wilhelm, Sohn Friedrich I., Enkel Friedrich Wilhelms, mit einer des Königlichen Namens würdigen Freigiebigkeit im Jahre 1722 vollendet.).

Inschrift Berliner Tor
Trophäe mit Königlich-Preußischem Wappenschild

Nach oben folgt eine große Trophäe mit Königlich-Preußischem Wappenschild, das von Harnischen, einem Helm, Waffen, Laub, Adlerorden und zwei Kriegertorsi umgeben ist. Es wird seitlich flankiert von je einer posaunenblasenden, geflügelten Figur der Fama, die einen Lorbeerzweig und ein Palmenblatt halten und von einer preußischen Krone bekrönt. Es handelt sich dabei um eine Erneuerung der Rekonstruktion der 1791 abgenommenen ursprünglichen Trophäe, die 1894 nach einem Vorschlag des damaligen Provincialconservators Paul Clemen und einem Entwurf des Bildhauers Altmann erstellt wurde.

Der stadtseitige Teil des Berliner Tores wurde völlig zerstört und nur in schlichter, schmuckloser Form wiederaufgebaut. In seiner heutigen Gestalt handelt es sich um eine Ziegelmauerfassade, der eine eingeschossige Halle vorgestellt ist. Die Vorhalle erhebt sich über einem hohen Sandsteinsockel und ist auf ihrer Vorderseite durch ein mittiges großes Tor mit Segmentbogen und Sandsteinrahmung bestimmt.

Durchfahrt Berliner Tor
Tordurchfahrt

Die Tordurchfahrt setzt sich auf der Feld- und der Stadtseite aus je einer zweijochigen Tonne und einer großen mittigen Kuppelhalle mit lichter Weite von 4,5 Metern und einer Höhe von 8,2 Metern zusammen. Die Raumkompartimente sind mit Gurtbändern, Wandnischen und Schlusssteinen in Helmform ausgestattet und in Rot- und Gelbtönen abgesetzt.

Kuppel Berliner Tor
Kuppel

Der Kuppelraum ist über einem geweiteten Oktogon in Wandfeldern aufgeteilt, die durch Pilaster voneinander getrennt sind. Ihren oberen Abschluss finden die Wandvorlagen in einem Gesims und in Postamenten mit Vasenaufsatz, die als Flachrelief ausgearbeitet sind. Das Gewölbe ist mit rotem Putz versehen, der mit weißem Fugenschnitt Ziegelsteinmauerwerk suggeriert.