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Stichtag: 11. Februar 1806 - Ursprünge der Unternehmerfamilie van den Bruck

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Kaum eine Weseler Familie ist so traditionsreich und in so positiver Erinnerung wie die van den Brucks. Über viele Generationen arbeiten und leben Mitglieder der Familie als Kaufleute, Ärzte und Lehrer in der Hansestadt.

Die Ursprünge des wohl bekanntesten Familienzweiges gehen auf Mathias Gerhard van den Bruck (1778–1864) zurück, der am 11. Februar 1806 im Stadtzentrum mit der Herstellung und dem Vertrieb von Tafelsenf begann. Dass er gewichtige Spuren in der Stadtgeschichte hinterlassen hat, sollten Bauarbeiter bei Erdarbeiten zur Tiefgarage am Großen Markt feststellen. Sie stießen auf Hindernisse, die sich bald als die alten Mühlsteine der van den Brucks herausstellen sollten.

Der bekannteste Name ist aber der von Abraham Cornelius van den Bruck (geboren 1808), der das Geschäft bald übernahm und um in ein florierendes Porzellangeschäft ergänzte (Großer Markt 138, später neu nummeriert in 19–21). Kurz nach seinem Tod wurde der berühmte Firmenname, wie er auch auf alten Fotos des prächtigen Großen Marktes überliefert ist, am 11. Februar 1882 und damit zum 76-jährigen Firmenjubiläum in das Handelsregister eingetragen.

Sein Sohn Wilhelm van den Bruck (1851–1931) führte mit gleichem kaufmännischem Geschick die Firma in dritter Generation weiter, tatkräftig unterstützt von seinen Geschwistern. In den 1890er Jahren erweiterte er seinen Familienbetrieb durch den Ankauf des Kolonialwarengeschäfts J. J. Teesing (Inhaber J. Coning) um ein weiteres Standbein. Das Unternehmen firmierte nun auch als Luxuswarenhandlung. Das sich in der Rathauszeile befindliche Geschäft entwickelte sich bald so gut, sodass es in späterer Zeit gar eine Filiale am Breiten Weg geben sollte. Den Porzellanhandel führten in der Regel die weiblichen Familienmitglieder, so die Geschwister des Inhabers. Die Senffabrik muss zwischen 1909 und 1913 zumindest vorrübergehend aufgegeben worden sein.

Die vierte Generation führte Wilhelm van den Bruck (1885–1961) an. Dieser erlernte das Kaufmannsgeschäft von der Pike auf von seinem gleichnamigen Vater, wollte dann aber auch wichtige Erfahrungen in anderen Branchen sammeln. So war er in einem Holzgeschäft ebenso tätig wie in einer Farbengroßhandlung. Richtungweisend sollte dann aber seine Tätigkeit als Verkäufer für einen Rüdesheimer Weinhandel werden. Ab den frühen 1920er Jahren übernahm er das immer noch weithin bekannte Porzellangeschäft, schloss dem aber um 1922 eine Weingroßhandlung (am Fischmarkt 1 gelegen) an. Laut einer großen Anzeige im Weseler Adressbuch von 1941 gehörten zum Unternehmen mittlerweile auch wieder eine Senffabrik und eine neue Kaffeerösterei.

Wilhelm van den Bruck erwarb sich als Honoratior seiner Heimatstadt einen hervorragenden Ruf. Er unterstützte Kunst und Kultur und war auch selbst als Hobbymaler aktiv. Auch hier folgte er der Familientradition, denn schon sein Urgroßvater Abraham Cornelius war ein talentierter Maler. Von ihm ist z.B. eine Stadtansicht des alten Büderich (1826) überliefert.

Der Zweite Weltkrieg brachte wie für die meisten Weseler auch für die Familie van den Bruck tiefgreifende Veränderungen. Die prächtigen Geschäftshäuser am Großen Markt fielen wie über neunzig Prozent der Innenstadt den alliierten Bomben zum Opfer. Wilhelm van den Bruck und seine Familie wurden rechtzeitig ins fast zweihundert Kilometer entfernte Bad Salzuflen evakuiert. Dort widmete sich das Familienoberhaupt zunächst einem alten Steckenpferd; er restaurierte alte Gemälde. Er versuchte aber auch mit aller Kraft, die schwer kriegszerstörte Heimat mit wichtigen Gütern zu versorgen. Bald verkehrten Lastwagen regelmäßig zwischen Bad Salzuflen und Wesel und sorgten so für die kleinen Dinge des Wiederaufbaus. Wilhelm van den Bruck zog es bald in die zerstörte Hansestadt zurück. Er wollte vor Ort den Wiederaufbau erleben und fördern. Als Verkaufsräume dienten ihm Nissenhütten am Kaiserplatz 2 (später Franz-Etzel-Platz 2), also aus Wellblech in Fertigbauweise improvisierte Hütten. Viele Weseler, besonders der Stadtbaurat Jahn, unkten, dass dieses Provisorium wohl für immer Bestand haben sollte. Der Geschäftsinhaber ließ sich davon wenig beeindrucken und konzipierte zusammen mit dem Bauunternehmen Ziegler an gleicher Stelle ein dreigeschossiges Haus, das später sogenannte Zieglersche Haus. Der Neubau garantierte den van den Brucks eine Schaufensterfront von 24 Metern Länge für Kristall, Porzellan, Keramik, Kunstgewerbe und Hausrat. In den oberen Etagen entstanden sechs Wohnungen. Nachdem die Firma Landers die Nissenhütten abgerissen hatte, diente ein kleiner Verkaufsraum in der Bahnhofsstraße (vor dem Bahnübergang) als Provisorium bis im Dezember 1955 das neue Geschäftshaus in bester Lage eröffnet werden konnte. Als Wilhelm van den Bruck 1961 verstarb, führte zunächst seine Ehefrau Hanna das Geschäft weiter.

Das alteingesessene Familiengeschäft wurde schließlich in fünfter Generation von Hermann van den Bruck – ab 1972 in der Hohen Straße 3 – weitergeführt. Das Geschäft firmierte als „Vitrine“ für Kristall, Porzellan, Keramik und Kunstgewerbe. Da das Ehepaar kinderlos blieb und sich auch sonst kein Nachfolger finden ließ, musste 1986 eine der wohl ältesten Firmen am unteren Niederrhein aus dem Handelsregister gelöscht werden. Aber auch 35 Jahre später ist das Familienunternehmen noch in bester Erinnerung. So manche Anekdoten auch aus dem alten Wesel haben die Zeit überdauert, so z.B. Namen der „guten Seelen“ Helene Buschmann-Röttgersmann und Clara Gloerfeld, die beide in ihrer Zeit jeweils über sechs Jahrzehnte in treuen Diensten der Familie van den Bruck gestanden haben.

 

(Autor: Dr. Heiko Suhr)