Liebe Frauen,
zum heutigen Frauenempfang begrüße ich Sie herzlich.
Es ist noch gar nicht so lange her, als drei Buchstaben das tägliche Leben von Frauen bestimmten.
K K K Kinder, Küche, Kirche beschreibt die soziale Rolle von Frauen über Jahrzehnte.
Frauen sollten sich um den Nachwuchs kümmern, die Hausarbeit erledigen und die Einhaltung moralischer Prinzipien vermitteln.
Erst im Februar haben wir Gedenktage anlässlich der völligen Zerstörung Wesels in 1945 begangen.
Wenn wir an die Jahre nach dem Krieg denken, blicken wir auf schwere Zeiten. Das fast völlig zerstörte Wesel hatte große Nöte: Unter anderem musste Wohnraum geschaffen werden.
Bürgermeister Ewald Fournell gründete das Hilfswerk „Wesel hilft sich selbst“. Mit dieser Unterstützung wurden die ersten Wohnungen nach dem Krieg hier, in der Innenstadt von Wesel, neu gebaut.
Wer blieb übrig, um unsere Städte wiederaufzubauen? Viele Männer waren im Krieg gefallen oder sind in Kriegsgefangenschaft geraten.
Regelmäßig lesen wir über „Trümmerfrauen“, die die Trümmer des Krieges, in den Städten weggeräumt haben.
Unsere Großmütter und Mütter haben den Wiederaufbau vorangetrieben und den Grundstein dafür gelegt, dass es uns heute gut geht.
Es hat einen eigenartigen „Beigeschmack“, dass Frauen, die die Städte wiederaufgebaut haben, erst 1949 mit dem Grundgesetz rechtlich ihren Vätern und Ehemännern gleichgestellt wurden.
„Frauen und Männer sind gleichberechtigt“, heißt es in Art. 3 Absatz 2 des Grundgesetzes.
Mit der Verabschiedung des Grundgesetzes mussten alle anderen Gesetze wie das Erbrecht, Eherecht oder Arbeitsrecht neu ausgestaltet werden.
Männer hatten jedoch in der Bundesrepublik Deutschland noch lange das Recht, die Beschäftigungsverhältnisse ihrer Ehefrauen zu kündigen, wenn sie der Meinung waren, dass ihre Gattinnen die Pflichten im Haushalt vernachlässigten.
Erst 1977 war es Frauen erlaubt, ohne die Zustimmung des Ehemannes zu arbeiten und sogar bis 1992 bestand für Arbeiterinnen „aus sittlichen und gesundheitlichen Gründen“ grundsätzlich ein nächtliches Arbeitsverbot.
Frauen schlossen sich zu Netzwerken zusammen, um gegen bestehende Benachteiligungen zu kämpfen.
So wurden nach und nach Frauenförderpläne und Quotenregelungen eingeführt, damit Frauen nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch faktisch gleichgestellt wurden.
Es entwickelte sich eine Frauenbewegung, die die folgenreichste soziale Bewegung des 20. Jahrhunderts werden sollte.
Von: „Sei sittsam und bescheiden, dann mag dich jeder leiden.“
Bis: „Selbst ist die Frau.“
War es oft ein beschwerlicher Weg.
Die Freigabe der Anti-Baby-Pille, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und die Abschaffung des Paragraphen 218 sind einige Beispiele für erfolgreiche Frauenpolitik.
Generationen von Frauen haben sich durchgesetzt!
Statt Kinder, Küche, Kirche könnten wir heute sagen:
„Köpfchen, Klasse, Kompetenz.“
Was gibt es heute noch zu tun und zu verbessern?
Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern ist immer noch groß. Lohnungleichheit ist ein Phänomen
mit einer Messgröße: Dem Gender Pay Gap (der geschlechtsspezifischen Lohnlücke).
Danach erhalten Frauen durchschnittlich 21 Prozent weniger Gehalt als Männer. So erzielten Frauen 2018 einen durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 17,09 Euro (Männer: 21,60 Euro). Bildlich gesprochen arbeiten Frauen 77 Tage im Jahr umsonst.
Der Equal Pay Day findet in diesem Jahr am 17. März statt. Ein Tag früher als 2019 - wegen des Schaltjahres! -. Er ist mittlerweile eine feste Größe in Deutschland. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ bleibt eines der großen Themen in der Frauenpolitik.
Die Unterrepräsentanz von Frauen in den Chefetagen und in der Politik ist nach wie vor aktuell.
Schauen wir zum Beispiel auf den Rat der Stadt Wesel. Es gibt 50 Ratsmitglieder. Davon sind lediglich 12 Mitglieder Frauen. Das sind knapp 25 Prozent.
Es besteht durchaus noch erheblich „Luft“ nach oben.
Die Aufgaben in der Kommunalpolitik sind vielfältig.
Der hiesige Schul- und Sportausschuss und der Stadtrat haben unter anderem bereits im November 2018 beschlossen, dass Wesel eine zweite Gesamtschule erhalten soll.
Erst vergangenen Januar fand die Eröffnung der neuen Ida-Noddack-Gesamtschule (die von den Schüler*innen bereist liebevoll INGE genannt wird) statt.
Dr. Ida Noddack-Tacke ist eine der ersten Frauen in Deutschland, die das Fach Chemie (1915) studierte und promovierte.
Ida Noddack-Tacke wurde 1896 in Wesel geboren.
Sie ist damit eine von Wesels Töchtern und ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass Intelligenz und qualifizierte Leistung kein Geschlecht besitzen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen unterhaltsamen und anregenden Frauenempfang 2020!