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Schlaglichter Stadtgeschichte Wesel 4

1809

Schillsche Offiziere: Elf Offiziere werden in Wesel erschossen. Sie standen unter dem Befehl des preußischen Majors Ferdinand von Schill und hatten vergeblich versucht, einen Volkskrieg gegen die französischen Besatzer zu entfachen. 1835 wird am Hinrichtungs- und Begräbnisort ein nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel erstelltes Denkmal aufgestellt, das an das Schicksal der Offiziere erinnert.

1811

Napoleon in Wesel: Um seine strategischen Interessen mit Wesel als Brückenkopf durchzusetzen, lässt Napoleon unmittelbar vor der alten Stadt Büderich das Fort Napoleon erbauen (später Fort Blücher). Alt-Büderich wird im Dezember 1813 auf Befehl Napoleons abgerissen. Am 1. und 2. November 1811 weilt Napoleon sogar persönlich in Wesel, um sich u.a. die Befestigungsanlagen der Stadt zeigen zu lassen.

1814

Preußische Garnisonsstadt: Wesel fällt wieder an Preußen und wird zur Garnisonsstadt ausgebaut. Infanterie, Artillerie und zeitweilig auch Kavallerie lagern in der Stadt. Sogenannte Rayonbestimmungen verhindern Steinbauten und industrielle Ansiedlungen um die Festung. Dadurch wird trotz günstiger infrastruktureller Bedingungen der wirtschaftliche Anschluss an das Ruhrgebiet verpasst.

1890

Entfestigung: 1890 kauft die Stadt Wesel nach langen Verhandlungen große Teile des Festungsgeländes vom preußischen Staat. Ein infrastruktureller Wandel beginnt. Die noch heute bekannten Straßenzüge rund um das mittelalterliche Wesel entstehen. Neue Siedlungen und Grüngürtel wie das Glacis werden angelegt. Die wirtschaftliche Entwicklung schreitet nach jahrhundertelanger Stagnation endlich voran.

1896

Wissenschaft: Dr. Ida Noddack wird im heutigen Wesel-Lackhausen geboren. Sie studiert als eine der ersten Frauen Deutschlands Chemie. Zusammen mit ihrem Ehemann Walter entdeckt sie ein fehlendes Element des Periodensystems und benennt es nach ihrer rheinischen Heimat „Rhenium“. Sie wird mehrfach für den Nobelpreis nominiert und ist bis heute die einzige weibliche Trägerin der Liebig-Gedenkmünze der Gesellschaft Deutscher Chemiker. 1978 verstirbt sie in Bad Neuenahr.

1914–1918

Erster Weltkrieg: Wesel wird Sammelpunkt für das Militär. Über die Eisenbahnbrücke wird die Garnison versorgt. Die Stadt ist aber auch Drehkreuz für Truppenverlegungen. Im Durchschnitt passieren über die Eisenbahnbrücke zwanzig Militärzüge pro Tag den Rhein. An der Heimatfront engagieren sich mehr und mehr Frauen beruflich und sozial. Auch die Weseler Lehrerin Dr. Paula Ridder gehört zu ihnen.

1921

Notgeld: Die Inflation macht auch vor Wesel nicht halt. In dieser Notsituation geben auch der Kreis Rees und die Gemeinde Obrighoven-Lackhausen Notgeld heraus. Für beide gestaltet Artur Buschmann die Papierscheine. Nach dem Zweiten Weltkrieg macht er als Künstler und Kunstengagierter Karriere und gehört zu den bedeutendsten Weseler Malerpersönlichkeiten.

1923

Ruhrbesetzung: Im Januar 1923 besetzen belgische und französische Truppen zur Sicherung der Reparationszahlungen des Ersten Weltkrieges das Ruhrgebiet. Die Reichsregierung ruft zum passiven Widerstand auf. Am 13. Februar besetzt belgische Infanterie den Weseler Hafen und das Hauptzollamt. In der Folge wird die Stadt komplett vom Ruhrgebiet abgeschnitten, was verheerende wirtschaftliche Folgen hat. So muss u.a. das Sägewerk Böhm mit 250 Beschäftigten den Betrieb einstellen.

1933

Gleichschaltung: Die nationalsozialistische Partei wird stärkste Fraktion im Weseler Rathaus und bestimmte bald das gesamte öffentliche, wirtschaftliche, kulturelle und private Leben in der Stadt. Während der nächsten Jahre rüstet Hitler-Deutschland auf, auch in Wesel werden wieder Truppen stationiert. 1936 wird Wesel erneut Garnisonsstadt. Auch in Wesel beginnt die dunkle Zeit der Unterdrückung und Verfolgung Andersdenkender.

1938

Pogromnacht: In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wird die Weseler Synagoge in Brand gesteckt. Viele Geschäfte wurden geplündert, so z.B. das Einrichtungshaus Zaudy in der Brückstraße. Die Ausgrenzung durch das nationalsozialistische Regime beginnt auch in Wesel schon 1933. Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, deren Familien teilweise seit Jahrhunderten zur Stadtgemeinschaft gehören, werden in dieser dunklen Zeit verfolgt, gedemütigt, enteignet, vertrieben und getötet.

1945

Kriegsende und Zerstörung: Am 16., 18., und 19. Februar wird Wesel durch massive Luftangriffe der alliierten Streitkräfte fast vollständig zerstört. 97 Prozent der Innenstadt liegen in Trümmern. Unmittelbar nach der Luftlandung (Operation Varsity) und der Rheinüberquerung (Operation Plunder) besucht der britische Premierminister Winston Churchill die Stadt. Mit dem Kriegsende bricht die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln völlig zusammen, Wesel wird 1947 zum landwirtschaftlichen Notstandsgebiet erklärt.

1949

Wiederaufbau: Der planmäßige Wiederaufbau Wesels beginnt, die Stadt erhält ein völlig neues Gesicht. Ein starker Aufbauwillen und die Neuansiedlungen von Industrie und Firmen vor allem im Bereich des alten Hafens prägen die Zeit bis weit in die 1960er Jahre. Dazu gehören neben BP vor allem Philips, die Delog und Siemens. Das Gesicht dieses Aufbaus ist Stadtdirektor Dr. Karl-Heinz Reuber, der später erster Ehrenringträger der Stadt wird.